48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
sich aus der Hängematte heraus und schritt in dem weiten Amtszimmer hin und her. Dann blieb er vor dem Deutschen stehen und sagte:
„Junger Mann, ich weiß gar nicht, welcher Worte ich mich jetzt bedienen soll. Was Sie mir da erzählt haben, das klingt so unglaublich, daß man es für einen Wahnsinn halten möchte, es für Wahrheit zu nehmen. Und dennoch klingt es ebenso sehr glaubhaft. Sagen Sie mir doch gefälligst, ob Sie selbst überzeugt sind, daß sich alles so verhält, wie Sie es mir sagten.“
„Señor, ich habe die volle Überzeugung“, beteuerte Kurt.
„Gibt es nicht einen leisen, leisen Zweifel, gegen den Sie vielleicht doch zu kämpfen haben?“
„Ganz und gar nicht!“
„So lebt Don Ferdinande also wirklich noch?“
„Ja.“
„Sie wissen das aus dem Brief, welchen dieser Señor Sternau an seine Frau nach Deutschland geschrieben hat?“
„Aus diesem Brief, und sodann ist auch jener Jäger da, welcher den Grafen selbst gesehen hat.“
„Geierschnabel?“
„Ja. Und Kapitän Wagner mit seinen Matrosen.“
„Diese alle aber haben den Grafen früher nicht gekannt!“
„Sie wollen damit sagen, daß diese Personen infolgedessen nicht befähigt sind, den Grafen zu rekognoszieren?“
„Allerdings. Ihre Aussage würde noch nichts beweisen.“
„Aber Sternau, Mariano, ‚Büffelstirn‘, ‚Bärenherz‘ und alle anderen, welche mit ihm nach Mexiko kamen?“
„Sie können nichts sagen, da sie ja verschwunden sind.“
„So muß man versuchen, sie wieder zu finden!“
„Natürlich, natürlich. Meiner Hilfe dazu können Sie sicher sein, Señor. Es ist da aber notwendig, daß ich mit diesem Geierschnabel selbst spreche.“
„Ich werde ihn senden.“
„Nein, ich suche ihn selbst auf. Aber –“, er warf einen forschenden Blick auf Kurt und fuhr dann fort: „Sie kommen vom Geschäftsträger Preußens. Befinden Sie sich auch nur in einem nicht privaten Auftrag hier?“
Kurt antwortete ausweichend:
„Selbst wenn dies der Fall wäre, würde es meiner Angelegenheit wohl nicht zum Schaden sein.“
„Nein, aber Sie bedürfen der amtlichen Hilfe. Es fragt sich, von welcher Seite Sie diese erwarten und beanspruchen!“
„Sie sehen das, indem ich zu Ihnen gekommen bin.“
„Ah, Sie waren bisher bei keinem Franzosen?“
„Nein.“
„Auch bei keinem Österreicher?“
„Auch nicht. Ich habe nur Herrn von Magnus in das Vertrauen gezogen. Daß ich auch den Verwalter der gräflichen Güter aufsuchte, geschah ja nur, um zu erfahren, ob die Gesuchten bereits bei ihm gewesen seien.“
„So wollen wir es dabei lassen. Ich glaube nicht, daß die Unterstützung eines Kaiserlichen Ihnen auf die Dauer nützlich sein wird. Sie sind also überzeugt, daß die Personen, welche Sie bis hierher verfolgten, wirklich Cortejo und Landola sind?“
„Ja.“
„Und daß diese beflissen sein werden, sich mit dem leeren Sarg zu beschäftigen?“
„Ich vermute das allerdings.“
„Es ist Ihnen zuzutrauen, nach allem, was Sie mir erzählten. Aber wir selbst werden uns vorher mit demselben Gegenstand beschäftigen. Ich werde mich mit einigen meiner Beamten nach dem Erbbegräbnis begeben. Hoffentlich begleiten Sie mich?“
„Es ist dies ja die Bitte, welche ich an Sie richten wollte.“
„Gut. Ich werde sofort nach dem Palast Rodriganda senden, um mir den Schlüssel zu dem Mausoleum zu erbitten.“
„Ah, Señor, wäre es nicht vielleicht besser, dies zu umgehen?“
„Warum?“
„Ich halte es nicht für geraten, zu viele Personen in das Geheimnis zu ziehen, am allerwenigsten aber diese Franzosen.“
„Hm, Sie mögen recht haben. Also Sie erwarten mit aller Bestimmtheit, den Sarg leer zu finden?“
„Ja.“
„Es ist natürlich nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen, Señor, aber als Beamter bin ich verpflichtet, den Gegenstand möglichst allseitig zu betrachten. Wenn wir den Sarg leer finden, könnte dies auch einen anderen Grund als den von Ihnen angegebenen haben.“
Kurt erriet sofort, was der Alkalde andeuten wollte.
„Ah“, sagte er, „Sie meinen, daß man die Leiche auch wohl erst vor kurzer Zeit entfernt haben könne?“
„Ja, um Sie zu täuschen.“
„Wer könnte dies tun, und was würde es ihm nützen? Übrigens wird am Zustand des Sarges sicherlich zu erkennen sein, ob eine Leiche in ihm verfaulte oder nicht.“
„Gewiß. Glücklicherweise bin ich im Besitz von Nachschlüsseln. Sie wissen, daß man als Beamter solche zuweilen notwendig brauchen kann. Wollen wir
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