5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
miteinander gelacht hätten. Es gab auch traurige und zärtliche Momente, in denen wir uns bei den Händen hielten und zusammen weinten, denn wir wussten, was auf sie zukam. Aber zumindest hatte Rosemary in ihren letzten Monaten ein wenig Glück erfahren. Sie hatte ein so schönes Lächeln. Ich kann es immer noch vor meinem inneren Auge sehen.
An ihrem letzten Nachmittag hatte eine Lungenentzündung sie schon fest im Griff, und ihre Atemwege waren total verschleimt. Inzwischen waren auch ein paar Verwandte eingetroffen und einige nette Freunde. Obwohl ihr Tod nicht der sanfteste war, den ich je gesehen hatte, starb sie doch unglaublich schnell. Jetzt war diese liebe Frau an einen anderen Ort gegangen.
An diesem Nachmittag sollte die Gemeindeschwester kommen, und sie kam zehn Minuten nach Rosemarys Tod. Während die Verwandten und Freunde in der Küche saßen und redeten, wuschen die Schwester und ich die Tote und zogen ihr ein frisches Nachthemd an. Die Schwester hatte Rosemary noch nie gesehen, und als wir uns mit der Leiche beschäftigten, fragte sie mich, wie sie als Mensch gewesen war.
Ich sah die Leiche meiner lieben Freundin an und das friedliche Gesicht, das jetzt für immer eingeschlafen war. Ich lächelte. Die Erinnerung an die Nachmittage, an denen wir nebeneinander in den Betten gelegen hatten, wurde wach. Dazwischen blitzten Bilder von Rosemary auf, wie sie mich anblaffte, aber auch wie sie lachte.
» Sie war glücklich « , erwiderte ich wahrheitsgemäß. » Ja, sie war eine glückliche Frau. «
Glück ist jetzt
Von all meinen Patienten war Cath mit Abstand die philosophischste. Sie hatte zu allem eine Meinung. Aber nicht irgendeine, sondern wohlfundiert. Aus Bildungshunger und Liebe zur Philosophie hatte sie sich in den einundfünfzig Jahren ihres Lebens einen enormen Wissensfundus angeeignet. Cath lebte noch immer in dem Haus, in dem sie geboren worden war. » Meine Mutter ist hier geboren und gestorben. Und ich werde das auch so halten « , stellte sie entschlossen fest.
Was sie ebenfalls liebte, waren Vollbäder, also unterhielten wir uns in unseren ersten paar Monaten meistens, während sie in der Wanne lag und ich auf einem Hocker danebensaß. Da ich ihre Neigung teilte, wollte ich Cath unbedingt helfen, so lange wie möglich baden zu können. Doch nach einer Weile wurde sie schwächer und konnte nicht mehr ein- oder aussteigen, auch nicht mit meiner Hilfe. Das Risiko eines Sturzes war einfach zu groß.
Als ihr klar wurde, dass sie gerade zum letzten Mal in ihrem Leben in der Badewanne saß, begann Cath zu weinen, und die Tränen tropften ins Wasser. » Alles geht dahin. Jetzt ist es die Badewanne. Dann kann ich nicht mehr gehen. Dann werde ich nicht mal mehr stehen können, und dann bin ich irgendwann selbst weg. Alles geht dahin. Mein Leben geht dem Ende zu. « Ihr Weinen steigerte sich zu einem wilden, ungehemmten Schluchzen. So sehr mir das ans Herz ging und so nahe ich selbst den Tränen war, es tat auch gut, einmal jemanden zu sehen, der seine Gefühle mit solcher Aufrichtigkeit zeigen konnte.
Eine ganze Tränenflut brach da aus ihrem tiefsten Inneren hervor. Als nichts mehr übrig war, saß sie still und erschöpft vom Weinen da, starrte aufs Wasser und zeichnete Muster auf die Oberfläche. Dann fing es wieder an, und jeder Schluchzer schien von einem noch tieferen, verborgeneren Ort zu kommen. Sie weinte um jede traurige Erinnerung, um alle Menschen, die sie verloren hatte, um alle, die sie verlieren würde, wenn sie ging. Aber in erster Linie weinte Cath um sich selbst.
Jedes Mal, wenn ich gehen wollte, um ihr ein wenig Privatsphäre zu lassen, schüttelte sie den Kopf und bat mich zu bleiben. Also blieb ich auf dem Hocker sitzen, sandte ihr Gedanken voller Liebe und saß einfach nur da. Es war herzzerreißend, aber gleichzeitig auch gesund, denn ich wusste, dass das alles aus ihrem Innersten kam.
Als eine weitere halbe Stunde vergangen war und das Wasser nicht mehr warm genug war, bot ich ihr an, noch etwas nachlaufen zu lassen. Doch sie schüttelte den Kopf. » Nein, schon in Ordnung. Jetzt wird es Zeit « , und damit zog sie den Stöpsel und sah mich an, damit ich ihr hinaushalf. Hinterher fuhr ich sie mit ihrem Rollstuhl an die Sonne, und in ihrem hellblauen Bademantel und den feuerroten Pantoffeln wirkte sie ganz ruhig.
» Hör mal, der Vogel « , lächelte sie. Wir saßen schweigend da und hörten zu, genossen das Lied und lächelten noch mehr, als wir hörten, wie ein
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