5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
hatten. Dieser Kurs wurde ein sehr persönlicher, heilsamer Raum für die Schülerinnen. Der heilende Aspekt bildete dann auch den Schwerpunkt in meinem weiteren Lehrplan.
Mit Hilfe verschiedenster Schreibübungen lernten die Frauen, ihre Gefühle herauszulassen und irgendwann auch mit Hoffnung zu schreiben. Natürlich wurden auch Songs über Wut und Verletzungen geschrieben. Als ich sie fragte, was sie tun würden, wenn es keine Einschränkungen gäbe, keine finanziellen, geografischen oder auf ihren Fähigkeiten basierenden, fingen sie an zu träumen und hörten zum ersten Mal seit Jahren wieder auf ihr Herz. Eine wollte die Freiheit haben, mit ihren Kindern zu leben, ohne sich vor Regierungsstellen verantworten zu müssen, eine andere sagte, sie würde in einem Musikvideo mitspielen, die Nächste wollte eine Bauchstraffung. Eine wollte wissen, wie sich ein Leben ohne prügelnden Vater oder Ehemann anfühlt (denn so etwas hatte sie noch nie erlebt), eine andere wünschte sich, sie könnte für immer ihre Drogensucht loswerden, und wieder eine andere wollte im Himmel vorbeischauen und ihrer Mutter sagen, dass sie sie liebte.
Da Ehrlichkeit weiterhin das Motto blieb, verging kaum eine Unterrichtsstunde, in der keine Tränen flossen. Aber wir hatten vereinbart, dass wir hier auf jeden Fall eine Umgebung schaffen wollten, in der wir uns gegenseitig unterstützten. Frauen, die sich früher nicht ausstehen konnten, wurden toleranter, und irgendwann halfen sie einander sogar. Eine Frau wollte erst gar nicht kommen, weil eine bestimmte andere mitmachte. Dann tat sie es doch, und nach vier Stunden lobten sie sich gegenseitig für ihre Songs und verstanden sich auch auf dem Gefängnishof. Das lag in der Natur dieses Kurses. Der Mut, der nötig war, um aufrichtig etwas von sich preiszugeben, verlangte den anderen Respekt ab, und sie fühlten mit und hörten einander mit ehrlichem Interesse zu, wenn sie ihre Songs entwickelten.
Es war außerdem eine echte Herausforderung für sie, vor dem ganzen Kurs aufzutreten. Sie ermutigten sich gegenseitig, weil sie den Schmerz in ihren Songs fühlten. Eine Schülerin, Sandy, schrieb darüber, wie hart es gewesen war, halb Aborigine, halb Weiße zu sein, so dass sie nie in irgendeines der Stadtviertel passte, in dem sie lebte. Die anderen in der Klasse kannten das Gefühl und ermutigten sie. Sie fanden, dass solche Dinge ausgesprochen werden müssen.
Eine andere, Daisy, war schon so oft im Gefängnis gewesen, meistens für Gewaltverbrechen, dass sie nicht mal wusste, wie lang sie diesmal drin bleiben musste. Sie meinte, wenn sie im Gerichtssaal saß, wurde sie jedes Mal ganz benommen und klinkte sich aus, weil es sie einfach überwältigte. (Wenig später brachte sie jedoch ihr Urteil in Erfahrung.) Sie schrieb über dieses Gefühl und wie es sie nervte, dass ihr Leben Teil eines Systems war und sich nie mehr wie ihr eigenes anfühlte. Eine andere Teilnehmerin, Lisa, schrieb einen Song für ihren Sohn, in dem sie ihm erzählte, wie stolz sie auf ihn war. Jedes Mal, wenn sie ihn spielte, schnürte es ihr die Kehle zu vor lauter Tränen, aber sie war auch sehr stolz auf sich.
Es wirkte kathartisch, diese Songs im Kurs vorzuspielen, denn es gestattete ihnen, sich nicht nur auf dem Papier auszudrücken. Freilich waren sie dabei auch ganz schön nervös. Aber da ich selbst vor Jahren dasselbe mitgemacht hatte, ebenso schüchtern und nervös wie sie gewesen war, ermutigte ich sie sanft, und die emotionalen Mauern der Angst bröckelten langsam ab. Ein paar Monate später, als eine der Teilnehmerinnen, die anfangs sehr schüchtern gewesen war, einen ihrer neuen Songs solo vor über hundert Insassen und Besuchern vorspielte, liefen mir ein paar Tränen über die Wangen, vor Freude natürlich.
Die Gruppenstärke war nie sehr groß, aber das passte allen Beteiligten ganz gut. Die ersten paar Kurse waren brechend voll, zu voll für effizienten Unterricht. Später pendelte es sich bei ungefähr zehn Teilnehmerinnen ein. Andere kamen und gingen. Sobald ihnen klar wurde, dass sie nach einem Kurs noch nicht wie Eric Clapton Gitarre spielen würden und dass der Kurs außerdem tatsächlich Arbeit machte, blieben sie nicht unbedingt. Doch es war von Vorteil, dass die Gruppen so klein waren. Diese Frauen brauchten alle viel Aufmerksamkeit, und je weniger es waren, umso besser konnte ich jede von ihnen individuell betreuen. Die Songs und Geschichten, die dabei herauskamen, waren heilsam, inspirierend
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