50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
nicht klar. Für diesen Punkt gibt es kein Gesetz; es ist so etwas noch gar nicht vorgekommen. Ich glaube, daß darüber die Versammlung der Ältesten zu entscheiden hätte.“
„Diese Alten sind aber gegen dich.“
„So werden sie es mit mir zu tun bekommen. Ich habe nicht die Absicht, mich in meinen Plänen stören oder mir über das, was ich tun will, Vorschriften machen zu lassen. Auf euch kann ich rechnen, und so werden wir gemeinschaftlich handeln, mag da kommen, was will.“
Sie hatten das Lager erreicht, wo es jetzt ein fröhliches Leben gab. Die Beni Sallah standen mit ihren Gästen in verschiedenen kleinen Gruppen beisammen. Jeder wollte einen von ihnen in seinem Zelt haben. Einige kannten sich noch von früher her, als die Beni Sallah bei den Beni Abbas gewesen waren, um die Tochter des Scheiks von dort abzuholen. Da gab es Erkundigungen und Erklärungen die schwere Menge. Ebenso geschäftig oder vielmehr noch viel geschäftiger waren die Weiber. Es war ja für die Bewirtung so vieler Gäste zu sorgen. Es wurden Schafe hinaus vor das Lager gebracht, um unter gewissen vorgeschriebenen Zeremonien geschlachtet zu werden. Diese Zeremonien waren unumgänglich notwendig. Wer ohne ihre Befolgung ein Tier schlachtet, macht sich nämlich nach mohammedanischem Ritus unrein und darf während einer gewissen Zeit nicht mit andern verkehren, da diese sonst von seiner religiösen Verunreinigung angesteckt würden und nun auch die Einsamkeit suchen müßten.
Bald loderten viele Feuer empor, über denen die Braten schmorten und an denen sich geschäftige Gestalten bewegten. Oben auf der Ruine war es nicht so lebhaft und bewegt. Die Königin hatte sich mit dem Vater und der Schwester in ihre Gemächer zurückgezogen, wo es ja so viel, so außerordentlich viel zu erzählen gab. Sie fanden keine Zeit, an andere zu denken. Normann und Steinbach hatten sich in einen schattigen Winkel der Außenseite des Gemäuers begeben, von dem aus sie das geschäftige Treiben ruhig beobachteten. Tarik und Hilal befanden sich unten bei den Gästen; sogar die Wachen hatten ihre Posten verlassen, so daß also oben vollständige Ruhe herrschte.
Da trat der Scheik aus der Tür der Ruine hervor und blickte sich um. Von dem Platz aus, an dem er stand, konnte er den Winkel sehen, in dem die beiden Deutschen saßen. Als er sie erblickte, kam er sehr eilig auf sie zu, fixierte dann, vor ihnen stehenbleibend, Steinbach mit leuchtenden Augen und sagte:
„Welch ein Mann bist du!“
„Ein Mensch wie jeder andere“, antwortete Steinbach lächelnd, indem er sich aus seiner sitzenden Stellung erhob.
„Nein, nicht wie jeder andere! Du bist viel, viel anders als tausend andere. Du bist ein Liebling Allahs, an den er die schönsten und besten seiner Gaben verschenkt hat. Zu diesen Vorzügen gehört die Verschwiegenheit. Zu mir aber hättest du doch sprechen können!“
„Ich habe es ja getan!“
„Aber nicht vollständig. Warum hast du mir denn verschwiegen, daß du der Mann bist, der Hiluja gerettet hat?“
„Ich wußte ja, daß du es von anderen ebensogut erfahren würdest.“
„Du bist bescheiden und wolltest dich meinem Dank entziehen. Meine Tochter hat mir alles erzählt. Du hast dein Leben gewagt, um sie zu retten. Du hast sie dann hierher gebracht nach einer weiten Reise. Du hast ihretwegen große Ausgaben gehabt, und da –“
„O nein“, fiel Steinbach ihm in die Rede. „Ich würde hierher gegangen sein, auch wenn ich Hiluja, deine Tochter, nicht kennengelernt hätte.“
„Das verringert gar nichts an der Größe dessen, was ich dir schuldig bin. Wie aber soll ich dir danken –?“
„Danke mir dadurch, daß du gar nicht von Dank sprichst!“
„Das ist unmöglich. Was im Herzen wohnt, das soll man mit dem Mund aussprechen, und du kannst nicht verlangen, daß ich dein Schuldner bleibe, ohne wenigstens diese Schuld einzugestehen und zu bekennen.“
„Das hast du nun getan, und wir sind quitt.“
„Quitt? O Allah! Wenn ich dir alles gäbe, was ich besitze, meine Herden, meinen Reichtum, mein Leben, so wären wir doch noch nicht quitt. Sage mir, ob du nicht vielleicht einen Wunsch hast, den ich dir erfüllen kann!“
„Ich habe ihn, wirst du ihn mir auch erfüllen?“
„Ja, wenn es mir möglich ist.“
„Es ist der, den ich bereits vorhin ausgesprochen habe: Sprich nicht mehr von Dank!“
„Und ich habe dir bereits gesagt, daß ich dir gerade diesen Wunsch nicht erfüllen kann. Ich muß von dir sprechen und von
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