600 Stunden aus Edwards Leben
Ihnen reden, Edward.«
In den Jahren, die ich mit ihr spreche, hat Dr. Buckley das ein paar Mal gesagt. Was sie mir dann erklärt, tut normalerweise weh, aber später merke ich immer, dass sie recht hatte.
»Okay.«
»Ich weiß nicht, worauf Sie warten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Edward, wissen Sie, wie lange ein Leben dauert?«
»Das kommt darauf an.«
»Ja, aber sagen wir mal, Sie führen ein nach normalen Maßstäben langes Leben. Wissen Sie, wie lange das dauert?«
»Ich weiß nicht. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ein Mensch im Durchschnitt zweiundsiebzig Jahre lebt.«
»Das stimmt ungefähr. Anders gesagt, dauert ein durchschnittliches Leben etwa 650.000 Stunden. Was denken Sie, wenn Sie diese Zahl hören?«
»Können Sie mir einen Taschenrechner borgen?«
Dr. Buckley steht auf, geht zu ihrem Schreibtisch und kommt mit einem kleinen Taschenrechner zurück.
Ich überprüfe ihre Rechnung: 24 Stunden pro Tag x 365 Tage pro Jahr = 630.270 Stunden.
»Es sind 630.270 Stunden«, sage ich.
»Also sogar noch weniger als 650.000.«
Ich tippe die Zahlen erneut ein, um meine Rechnung zu überprüfen. Natürlich wird es zwischendurch ein paar Schaltjahre geben, also sind es nicht genau 630.270 Stunden, aber es ist ziemlich nahe dran. Man kann nicht genau sagen, wie viele Schaltjahre dabei sind, wenn man das erste Jahr nicht weiß, man kann aber theoretisch davon ausgehen, dass bei einer Lebensdauer von zweiundsiebzig Jahren ein Mensch im Durchschnitt achtzehn Schaltjahre erlebt, das wären dann lediglich 18 x 24 = 432 Stunden mehr.
»Wie lange hat Ihr Vater gelebt?«, fragt Dr. Buckley nun.
Ich tippe die Zahlen ein: 24 x 365 x 64 = 560.640 + (16 x 24) = 561.024 Stunden.
Ich sage ihr die Antwort.
»Und wie lange haben Sie schon gelebt?«
Das ist einfach. Ich weiß, dass ich mit dem heutigen Tag neununddreißig Jahre (bei zehn Schaltjahren) und 300 Tage alt bin.
Ich tippe die Zahlen ein: 24 x 365 x 39 = 341.640 + (24 x 300) = 348.840 + (24 x 10) = 349.080 Stunden.
Heilige Scheiße!
Ich sage Dr. Buckley die Antwort.
»Und nun frage ich Sie wieder: Worauf warten Sie?«
Die heutige Folge von
Polizeibericht
, die ich kurz nach sieben einlege – um 19:04 Uhr – ist die fünfzehnte der ersten Staffel und heißt »Mord«. Es ist eine meiner Lieblingsfolgen.
In dieser Episode, die zum ersten Mal am 27. April 1967 ausgestrahlt wurde, untersuchen Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon den Mord an einer schönen jungen Japanerin. Sie finden heraus, dass ihr Mann einige Monate zuvor in Vietnam getötet wurde und dass sie eine kleine Tochter hat, Miko, die anscheinend irgendwo in Japanese Town bei ihrer Großmutter lebt.
Der Mord macht Sergeant Joe Friday persönlich zu schaffen, was nicht oft geschieht. Vielleicht ist er wütend über die vielen Schießereien in Los Angeles. Vielleicht ist er schockiert, dass jemand eine so hübsche kleine Frau erschießen konnte. Sergeant Joe Friday interessieren nur Tatsachen, aber er ist auch ein Mensch.
Schließlich konzentrieren sich Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon auf einen unheimlichen Mann namens Ben Roy Yoder, der bei seiner extrem religiösen Tante lebt. Als die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl zu ihrem Haus kommt, weist die Tante sie zurück und sagt, sie würden damit einen heiligen Tempel beschmutzen.
Sergeant Joe Friday erwidert, das würde er durchaus tun, wenn er der Meinung sei, er werde dabei eine Mordwaffe finden. Das ist sehr logisch.
Ich sehe
Polizeibericht
fast drei Stunden früher und könnte mir sogar noch eine weitere Folge ansehen, wenn mir danach wäre. Außerdem esse ich eine Salami-Pizza mit dünnem Boden von
Pizza Hut
. Ich bin heute nicht einkaufen gegangen. Ich habe entschieden, dass es nicht nötig ist. Vielleicht gehe ich morgen. Oder auch nicht.
Ich werde tun, wonach immer mir zumute ist. Man lebt nur einmal.
Der heutige Brief folgt einem aktuellen Muster. Es ist kein Beschwerdebrief.
Ich habe früher schon Beschwerdebriefe an Dr. Buckley geschrieben, vor allem zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit, als das, was sie sagte, nicht viel Sinn ergab, und bevor wir die richtige Dosis Fluoxetin gefunden hatten, die mich dann mehr und mehr beruhigte. Es gab Zeiten, in denen ich richtig böse Briefe an Dr. Buckley geschrieben habe – siebzehn Stück, wie sich herausstellt, als ich den Ordner mit ihrem Namen hervorhole.
Dr. Buckley,
ich möchte Ihnen für die heutige Sitzung danken. Ich denke, sie gehört zu
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