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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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als Du mit mir verreist bist und Thanksgiving mit Grandpa Sid und Grandma Mabel verbracht hast und wir das Spiel der Dallas Cowboys gesehen haben. Daran zu denken, hat mich glücklich gemacht.
    Solchen Spaß erleben wir jetzt nicht mehr. Daran zu denken, hat mich traurig gemacht.
    Hoffentlich können wir bald wieder einmal zusammen Spaß haben. Ich habe heute herausgefunden, dass ich das noch kann. Vielleicht kannst Du es ja auch noch.
    Dein Sohn
    Edward

FREITAG, 24. OKTOBER
    Ein seltsamer und peinlicher Gedanke reißt mich aus dem Schlaf:
    Was, wenn Joy heute Sex mit mir haben will? Das ist eine Möglichkeit, die ich nicht eingeplant habe, und sie erscheint mir so grotesk (ich liebe das Wort »grotesk«), dass ich mich am liebsten wieder hinlegen und weiterschlafen möchte.
    Doch ich kann nicht. Also beobachte ich, während ich darüber nachdenke, wie im Dunkeln die Zeit aus meiner Digitaluhr tropft.
    5:57 … 5:58 … 5:59 …
    Mir fällt ein, was Dr. Buckley dazu gesagt hat: »Ich hoffe, dass das für Ihr erstes Treffen nicht auf dem Plan steht.« Nein, das tut es nicht. Wir haben keinen Plan. Wir treffen uns in der neuen Weinstube in der Innenstadt, am Broadway. Alles Weitere ist ungewiss – einschließlich und vor allem die Frage, ob wir Sex haben werden.
    6:00 … 6:01 … 6:02 …
    Ich muss Ihnen etwas gestehen: Ich habe noch nie Sex gehabt, zumindest nicht mit einem anderen Menschen. Ich bin neununddreißig Jahre alt und, ja, ich habe die Selbstbefriedigung entdeckt. Es besteht kein Grund, das auszuführen oder abartig zu werden. Ich lese jeden Morgen die Kolumne der Briefkastentante im
Billings Herald-Gleaner,
und ich erinnere mich, dass sie vor ein paar Jahren etwas über Selbstbefriedigung schrieb: Die Hälfte der Männer tut es, und die andere Hälfte lügt, wenn sie behauptet, sie tue es nicht. Das hat die Briefkastentante gesagt, und das reicht mir. Die Briefkastentante ist eine sehr logische Frau.
    6:03 … 6:04 … 6:05 …
    Da ich noch nie Sex hatte, können Sie vermutlich verstehen, warum mir deswegen ganz mulmig zumute ist. (Ich liebe den Ausdruck»mulmig zumute sein«.) Ganz abgesehen von den offensichtlichen Fragen – wie kommt man zu der Entscheidung, bei einer ersten Verabredung Sex zu haben? Sagt man einfach: »Das ist ein köstlicher Salat. Ich freue mich schon darauf, dir gleich mehr darüber zu erzählen, wenn wir Sex haben«? –, fühle ich mich bei dem Gedanken daran allgemein sehr unwohl. Es kommt mir verantwortungslos vor.
    6:06 … 6:07 … 6:08 …
    Nehmen wir einfach mal an, dass wir Sex haben werden. Das ist jetzt rein hypothetisch. Wo wird er stattfinden? Werden wir ganz bis nach Broadview fahren und in ihrem Haus Sex haben? Bei mir können wir keinen Sex haben, das steht schlichtweg nicht zur Debatte. Abgesehen von allen anderen möglichen Problemen würde mein Vater einen apoplektischen Anfall kriegen, wenn er es erführe. Allerdings, wenn Joy und ich ganz bis nach Broadview fahren, wie können wir Sex und ich dann noch genug Zeit haben, nach Billings zurückzufahren, um die heutige Folge
Polizeibericht
zu sehen? Ich sehe nicht, wie das möglich sein soll. Unter solchem Druck könnte ich keinen Sex haben. Ich bin nicht sicher, dass ich überhaupt Sex haben kann, weil ich ja noch nie welchen hatte. Ich meine ja nur, dass, selbst wenn der körperliche Akt des Sex möglich wäre, ich mich nicht konzentrieren könnte, wenn ich weiß, dass ich
Polizeibericht
verpassen werde.
    6:09 … 6:10 … 6:11 …
    Also, was dann? Ein Hotelzimmer? Das löst immer noch nicht das
Polizeibericht
-Problem. Ein gutes Hotel wie das
Crown-Plaza
wäre vielleicht bereit, einen Videorekorder ins Zimmer zu stellen, aber dann würde ich meine Videokassette mitnehmen müssen, ohne zu wissen, ob ich sie tatsächlich brauchen werde.
    Ich denke, das wäre blöd.
    Joy: »Hallo, Edward. Warum hast du denn deinen
Polizeibericht
auf Video dabei?«
    Ich: »Hallo, Joy. Ich dachte, wir könnten vielleicht Sex haben, deshalb wollte ich vorbereitet sein. Ich darf
Polizeibericht
nicht verpassen.«
    Außerdem ist das
Crown-Plaza
sicher nicht die Sorte Hotel, die uns ein Zimmer allein zu dem Zweck vermietet, Sex zu haben. Und die Sorte Hotel, die uns ein Zimmer nur für Sex vermieten würde – ich weiß nicht, wie man so ein Hotel findet –, hat vielleicht keinen Videorekorder für mich. Da würden sie vermutlich wollen, dass wir nur Sex haben und dann

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