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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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Blaue Blitz.

    Donna Middleton und ich sitzen in meinem Vorgarten auf Gartenstühlen, die ich aus der Garage geholt habe. Mitten auf dem Bürgersteig habe ich mit der Schneeschaufel einen Berg aus lockerem Schnee angehäuft. Das Haus, in dem ich wohne, ist das zweitletzte im 600er-Block der Clark Avenue, und Kyle und der Blaue Blitz stehen auf dem Bürgersteig an der Ecke zur 7th Street West, wo der 700er-Block anfängt.
    »Seid ihr bereit?«, ruft er uns zu.
    Donna macht mit der rechten Hand eine pumpende Bewegung vor und zurück und schreit: »Los, los, los!«
    Ich mache dieselbe Geste, schreie aber nicht.
    Kyle setzt sich auf den Blauen Blitz und fängt an, wie wild in die Pedale zu treten. Seine Beine bewegen sich wie Kolben und bringen den Blitz zum Flitzen. Als er in den Schneehaufen fährt, ist es wie eine Eisexplosion: Der puderige Schnee stäubt in alle Richtungen davon.
    »Hammer!«, ruft Kyle.
    »Mach das noch mal!«, sage ich, nehme die Schaufel und schichte den Schnee wieder auf, während Kyle mit dem Blauen Blitz umdreht und zur Ecke zurückfährt.
    Kurz darauf schreien und pumpen seine Mutter und ich gemeinsam, und Kyle düst wieder in den Haufen.
    »Ich weiß was«, sagt er. »Ich fahre um den Block, und ihr macht Schneebälle und versucht, mich zu treffen, wenn ich vorbeikomme.«
    Donna grinst ihren Sohn verschlagen an. »Du wirst untergehen.«
    »Nein, ihr«, ruft Kyle und verschwindet mit dem Blauen Blitz um die Ecke.
    Donna und ich gehen im Vorgarten auf die Knie, schieben Schnee zusammen und formen ihn zu perfekten Projektilen. Als Kyle um die Ecke und auf uns zukommt, starten wir den Schneeballbeschuss. Ein paar der Bälle treffen ihn, aber die meisten werfen wir daneben, sodass auf dem Gehsteig weiße Schleifspuren entstehen. Er ist wirklich schnell auf dem Ding.
    Während Kyle zu einer weiteren Runde um die Kurve biegt, habe ich eine Idee. Ich gehe an der Seite neben das Haus, wo sich der weggeschaufelte Schnee des Nachbarn auftürmt, und forme dort einige Schneebälle. Wenn Kyle nicht sieht, woher sie kommen, kann ich ihn vielleicht besser treffen.
    Ich beobachte, wie er um die Ecke düst und den Gehsteig entlangfährt. Ich hole aus, versuche, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, und werfe.
    Der Schneeball prallt auf Donna Middletons Rücken und bedeckt ihre Schultern mit Schnee.
    Sie fährt herum und sieht mich verblüfft an.
    Ich sehe sie ebenfalls an und will sagen, dass es mir leid tut, aber mein Mund bewegt sich kaum und formt keine Worte.
    Und dann wirft sie einen Schneeball, der gegen meine zugeknöpfte Jacke prallt.
    Sie fängt an zu lachen, und ich werfe auch wieder einen auf sie. Jetzt weicht sie aus und rennt hin und her durch den Vorgarten, während ich versuche, ihr zu folgen. Kyle ist vom Blauen Blitz abgestiegen und jagt sie ebenfalls. Wir liefern uns eine Schneeballschlacht und rennen und lachen, und ich kann mich nicht erinnern, wann ich so etwas das letzte Mal gemacht habe.

    Das stimmt nicht. Ich kann mich erinnern.
    Im November 1974, als ich fünf Jahre alt war, nahm mein Vater mich auf eine Geschäftsreise mit. An einem Samstag flogen wir von Billings nach Denver – an den Tag kann ich mich deshalb so gut erinnern, weil keine Schule war, und es war das Wochenende vor Thanksgiving. Als wir in Denver landeten, winkte mein Vater ein Taxi heran, das uns zu einem Hotel in der Innenstadt brachte. In Denver hatte es geschneit, und die Innenstadt war an Wochenenden so gut wie tot. Das Grau des Tages zusammen mit dem Schnee verliehen Denver eine schaurige Blässe (ich liebe das Wort »Blässe«), die unheimlich und reizvoll zugleich war. Nach dem Abendessen gingen mein Vater und ich nach draußen, bauten an einer verlassenen Straßenecke einen Schneemann und bombardierten ihn dann mit Schneebällen. Das hat Spaß gemacht.
    Am nächsten Morgen brachte uns ein anderes Taxi zur Niederlassung des LKW-Herstellers
International Harvester
in Denver, wo mein Vater alle Papiere für einen neuen roten
Paystar 5000
unterschrieb. Es muss eine Menge Papierkram gewesen sein, um den Vertrag für so einen Kauf abzuschließen; ich kann mich erinnern, dass wir sehr lange dort waren. Ich blätterte in der Zeit durch die Hochglanzbroschüren, in denen die neuesten Fahrzeuge von
International Harvester
beworben wurden.
    Die nächsten Tage fuhren wir mit dem neuen, riesigen Lastwagen nach Midland, Texas, wo die Firma
Mayhew Co.
darauf wartete, eine Bohranlage auf den Laster zu laden. Das ist die

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