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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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und so liegen sie sauber aufgeschichtet auf meinem Schreibtisch. Ich lade meine Word-Dateien hoch und drucke meine Beschwerdebriefe an Joy-Annette aus. Ich habe Angst, die Geschichte nicht richtig zu erzählen, da sie mich ganz durcheinanderbringt, und habe deshalb beschlossen, Dr. Buckley alles selbst lesen zu lassen. Ich bin schon gespannt zu hören, wie sie darüber denkt.
    Ich falte die Blätter zusammen und stecke sie in eine Aktentasche. Dann öffne ich die Aktentasche wieder und sehe nach, ob ich die Sachen gleich wiederfinden kann. Darauf beschließe ich, die Papiere getrennt zu verwahren und Joy-Annettes Briefe in das eine und meine in ein anderes Fach zu stecken. Ich öffne die Tasche erneut und gehe sicher, welche Briefe in welchem Fach liegen. Dann schließe ich die Aktentasche. Danach öffne ich sie ein letztes Mal zum Überprüfen.
    Ich bin sehr gespannt darauf, Dr. Buckley heute zu sehen.
    Natürlich ist es erst 8:32 Uhr. Mikes Visage hat meinen Tag viel zu früh beginnen lassen.
    Ich überprüfe ein weiteres Mal die Aktentasche.

    Eine Stunde und dreiundzwanzig Minuten später bin ich in Dr. Buckleys Wartezimmer. Die Patienten der letzten Woche haben mir viel zum Aufräumen beschert. Auf jedem Beistelltisch liegen die Zeitschriften wild durcheinander. Ich staple sie neu, erst die einzelnen Titel chronologisch und dann die Titel nach dem Alphabet.
    Ich bin nicht in der Lage, mich hinzusetzen. Ich bin unruhig. So habe ich mich oft gefühlt, vor allem, bevor ich anfing, mich mit Dr. Buckley zu treffen, und sie mir half, die richtige Dosis Fluoxetin einzustellen. Ich habe keine Antwort darauf, warum ich heute wieder so unruhig bin, aber vielleicht hat Dr. Buckley dazu eine Idee.
    Ich sehe auf die Uhr; es ist 9:59:51 Uhr.
    Wenn ich heute nicht pünktlich anfange, wird mich das ziemlich fuchsen.
    9:59:54 … 9:59:55 … 9:59:56 …
    Dr. Buckleys Tür öffnet sich. Ich stürze den Flur hinunter und stoße mit dem vornehm aussehenden Mann zusammen, der aus dem Sprechzimmer kommt.
    Ich sehe auf meine Armbanduhr.
    10:00:04 … 10:00:05 … 10:00:06 …
    »Schwanzlutscher«, sage ich und schelte mich damit selbst für meine Verspätung.

    »Edward, ich möchte, dass Sie jetzt erst einmal einen Gang zurückschalten.«
    Dr. Buckley spricht mit leiser, beruhigender Stimme. Sie verliert bei mir nie die Geduld, selbst dann nicht, wenn ich sie zur Verzweiflung treibe, so wie heute. Nachdem ich mit dem Mann zusammengestoßen war und dann ein sehr schlimmes Wort gesagt hatte, konnte ich sie auf der anderen Seite der Tür hören, wie sie sich entschuldigte und dem Mann versicherte, ich hätte mit »Schwanzlutscher« nicht ihn gemeint. Sie hat das Wort nicht wirklich ausgesprochen, aber es war klar, dass dieses Wort die Ursache für eine gewisse Missstimmung war.
    Als Dr. Buckley wieder hereinkam, fing ich an, wild auf sie einzureden, noch bevor sie sich hinsetzen konnte. Mein Gehirn arbeitete schneller als mein Mund, und ich fürchte, ich habe völlig zusammenhangloses Zeug geredet.
    »Immer langsam«, sagt Dr. Buckley nun.
    »Ich bin zu dieser Internetverabredung gegangen, und es war ein heilloses Desaster. Ich konnte nicht … sie war … ich hatte Angst …«
    »Atmen Sie und beruhigen Sie sich.«
    Das ist eine Technik, die Dr. Buckley am Anfang oft eingesetzt hat, als wir uns noch alle paar Tage trafen, um an meinen Problemenzu arbeiten. Damals war ich häufig fast hysterisch. Nachdem wir die Dosis des Fluoxetin auf achtzig Milligramm pro Tag eingestellt hatten und es langsam zu wirken begann, brauchten wir die Technik nicht mehr so häufig, und wir konnten die Anzahl der Sitzungen auf eine pro Woche zurückfahren. An Dr. Buckleys Gesicht kann ich erkennen, wie sehr sie sich wundert, dass wir wieder in diesem Modus arbeiten müssen.
    »Geht Ihr Atem ruhiger?«, will sie wissen.
    »Ich denke schon.«
    »Sind Sie bereit zu reden?«
    »Ja.«
    »Also gut. Dann gehen wir das jetzt eins nach dem anderen durch.«

    Wir beginnen mit Joy-Annette und der katastrophalen Verabredung. Ich erzähle Dr. Buckley alles, was seit unserem letzten Treffen passiert ist, einschließlich des Kleiderkaufs (»Mein Mann hat auch so eine Hose«, sagt sie einmal. »Die sieht gut aus.«), der Sorge um Sex, das Gewürztraminer-Rülpsen und des abrupten Endes unseres Treffens.
    Das Hin und Her mit den E-Mails und meinen nicht abgeschickten Antworten deute ich nur an. Anstatt ausführlich davon zu erzählen, greife ich in die

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