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66095: Thriller (German Edition)

66095: Thriller (German Edition)

Titel: 66095: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Nyren- und Tower-Kamm
Labyrinthhöhle
    Whitney brauchte ihre ganze Konzentration, um sich seitlich durch die schroffen Felswände zu manövrieren, die den Weg hinunter in die Westflanke des Nyren-Kamms begrenzten, so dass sie den Schrei, der irgendwo in der Höhle unter ihr widerhallte, zunächst gar nicht registrierte.
    Als sie den Engpass hinter sich gelassen hatte, folgte sie Two-Elk, blieb dann aber regungslos stehen, als ihr klar wurde, was der Widerhall des Schreis zu bedeuten hatte. Ihre Zunge wurde plötzlich staubtrocken. Ihr wurde schwarz vor Augen. Hinter der letzten Wegbiegung tauchte der Pluto auf, der sich in einen reißenden Strom verwandelt hatte.
    Finnerty und Two-Elk gingen auf einem Felsvorsprung in die Hocke und beleuchteten mit ihren Stirnlampen den schäumenden, rauschenden Fluss. »Wie geht’s jetzt weiter?«, fragte der Marshall. Seine Stimme klang in Whitneys Ohren wie durch einen Synthesizer verfremdet – langsam, gedehnt und hohl. Ihr Arm hob sich wie von selbst, als sie stromabwärts deutete.
    »Gibt es einen anderen Weg hinüber?«, fragte Finnerty. Sie schüttelte den Kopf.
    »Hier kommen wir bald nicht mehr durch«, schrie Two-Elk. »Wir werden sie verlieren.«
    »Dann gehen wir«, sagte Finnerty. Der Marshall und seine Deputy sprangen ins Wasser und wurden sofort 15 Meter stromabwärts getrieben, bevor es ihnen gelang, festen Boden unter den Füßen zu finden und sie sich nach Whitney umdrehen konnten.
    Whitney atmete tief ein. Der Geruch von Verwesung und Fäulnis, den die Flut mit sich brachte, machte ihr Angst. Sie schlang die Arme um die Knie und schaukelte vor und zurück, hypnotisiert von den schäumenden braunen Fluten, die im Schein ihrer Lampe wogten.
    Finnerty winkte ihr zu kommen, aber Whitney blieb sitzen und schaukelte wie in Trance. Der Marshall versuchte, zu ihr zurückzugelangen, aber die Strömung war zu stark. Two-Elk deutete auf den Sensor, den sie um den Hals trug. Finnerty schüttelte den Kopf und versuchte erneut, sich seinen Weg zurück zu Whitney zu bahnen, aber die Strömung erfasste ihn und wirbelte ihn herum. Two-Elk drehte sich um und begann stromabwärts zu schwimmen. Mit einer Miene, die von blankem Entsetzen gezeichnet war, beschloss Finnerty, ihr zu folgen.
    Whitney merkte irgendwann, dass die beiden sie zurückgelassen hatten, aber es war ihr gleichgültig. Ihr Kopf dröhnte, und sie wurde von den alten albtraumhaften Bildern bedrängt. Sie sah sich selbst im Schreckensloch. Dasselbe Dröhnen im Kopf musste Jeannie erlebt haben, bevor sie von den Fluten fortgerissen wurde. Whitney starrte auf den Fluss und spürte eine überwältigende Sehnsucht, endlich Jeannie zu folgen, sich in die Fluten zu stürzen, die über ihrem Kopf zusammenschlagen und die Panikattacken für immer beenden würden.
    Doch dann übertönte ein weiterer gellender Schrei das Tosen des Flusses und das Dröhnen in Whitneys Kopf.
    »Daddy!«
    Whitney blinzelte und drehte den Kopf wie ein Betrunkener, der eine weit entfernte Polizeisirene hört. Dann erneut dieser Schrei, schwach, aber ganz deutlich.
    »Daddy! Hilf mir!«
    Whitney ließ ihren Blick über Finnertys und Two-Elks auf- und abwippende Stirnlampen wandern, die in immer weitere Ferne entschwanden.
    »Cricket?«, murmelte sie. Sie schüttelte den Kopf, damit das Dröhnen endlich aufhörte, und schrie, so laut sie konnte: »Cricket! Cricket! Hier bin ich!«
    Einen Augenblick lang sah Whitney dem Strahl ihrer Lampe nach, der sich im Dunkel der überfluteten Höhle verlor, ohne etwas zu hören. Dann vernahm sie von weitem erneut Crickets Stimme: »Mommy!« Und dann Toms Stimme: »Whitney!«
    Whitney machte einen Schritt auf das Wasser zu und blieb erstarrt stehen. Finnerty und Two-Elk waren verschwunden. Ihre Lampen waren nirgends mehr zu sehen. Im Schein ihrer eigenen Lampe erkannte sie, dass der Fluss binnen Sekunden bis zur Höhlendecke anschwellen würde.
    Hinter sich hörte sie ein polterndes Geräusch. Sie fuhr herum und sah Billy Lyons vor sich. Seine Stirnlampe war kurz vor dem Erlöschen, und sein Gesicht war mit grauem Staub überzogen. Verkrustetes Blut klebte ihm an Nase, Ohren und Hals. Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Warten Sie«, knurrte er.
    Whitney zuckte zusammen und sprang in die Flut.

7.55 Uhr
Pluto River
    Cricket ruderte mit Armen und Beinen gegen die Flut. »Mommy!«
    Während sie von den steigenden Wassermassen herumgeworfen wurde, sah sie für den Bruchteil einer Sekunde den Schein von

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