66095: Thriller (German Edition)
Arm.
Als er beim Bus angelangt war, tauchten im Nebel die Scheinwerfer eines Pickup auf, der aus Richtung Central City kam. Wie erstarrt blieb Lyons im Schatten des Gefangenentransporters stehen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Straße sollte eigentlich leer sein. So war es geplant. Der Pickup wurde langsamer, und für einen Augenblick dachte Lyons, die Fahrerin, eine Frau in mittleren Jahren mit hochtoupierten Haaren, hätte das Blut auf der Straße gesehen. Dann bemerkte sie die Männer, die im Bus saßen, und fuhr weiter.
Lyons wartete, bis die Rücklichter des Pickup nicht mehr zu sehen waren, dann ging er zum Bus und öffnete die Seitentür. »Lass mich raus!«, forderte Pate.
»Wir beschaffen uns Gregors Stein«, erwiderte der Lieutenant. »Alle waren einverstanden, dass wir, wenn ich die Tests fälschen kann, alle mit von der Partie sind.«
»Ich war mit nichts einverstanden, ist das klar?«, sagte Pate. »Das hab ich dir schon mal gesagt. Ich glaub nicht, dass es einen Stein gibt. Oder je gegeben hat. Oder je geben wird. Ich will nur raus!«
»Und was ist mit den anderen?«, wollte Lyons wissen.
»Ich bin dabei«, sagte Kelly. »Auf alle Fälle.«
Mann zögerte, dann nickte er. »Ich auch. Ich will die Kohle.«
Lyons war unentschlossen. Pate laufen zu lassen, passte ihm eigentlich nicht in den Kram. Aber er konnte es nicht riskieren, ihn mitzunehmen, wenn er nicht an die Sache glaubte, und töten wollte er auch niemanden mehr. Er stieg in den Wagen und löste Pates Hand- und Fußfesseln. Pate stand auf und forderte: »Gib mir ’ne Knarre.«
Lyons zögerte, dann warf er einen Blick auf seine Pistole, aus der er drei Schuss abgefeuert hatte, und warf sie dem Brandstifter hin. Pate steckte sie in seinen Gürtel, drehte sich um und stürmte in seinem orangefarbenen Overall und den Schlappen an den Füßen in Richtung Wald. Lyons setzte sich ans Steuer und lenkte den Bus wieder auf den Highway. Eine Weile konnte er nichts anderes tun als fahren.
»Optimal gelaufen«, rief ihm Gregor zu. »Jetzt treten Sie aufs Gaspedal, schnell.«
Da packte Lyons ein jäher Zorn. Er warf einen Blick über die Schulter. »Eins möchte ich klarstellen, Gregor – ich nehme keine Befehle von dir entgegen. Du hast mir die Suppe eingebrockt. Ich habe meinen Teil der Vereinbarung eingehalten. Aber ich nehme keine Befehle entgegen. Jetzt sind wir im Geschäft, und ich bin dein Partner. Also halt’s Maul, während ich mich ums Geschäft kümmere, Partner.«
Lyons griff nach dem Funkgerät. »Hier spricht der Eddyville-Gefangenentransport.«
»Verstanden, Eddyville.«
»Wir sind gleich wieder auf dem Parkway. Wir hatten einen Platten, und es ist ein bisschen neblig, deshalb geht’s langsam voran. Ich melde mich, wenn wir im Krankenhaus ankommen. Könnte noch mindestens zwei Stunden dauern, bis wir wieder auf Funk sind.«
»Roger.«
Lyons steckte das Mikrophon wieder in die Halterung, dann warf er einen Blick in den Rückspiegel und fing Gregors finsteren Blick auf.
»Wo geht’s lang zu deinem Stein?«, fragte Lyons.
Gregor starrte noch eine Weile wütend vor sich hin. »Immer in östliche Richtung, Lieutenant. Nebenstrecken. Ich sage Ihnen, wann Sie halten müssen.«
9.12 Uhr
Jenkins-Kamm
Labyrinthhöhle
Cricket Burke warf ihren Schultersack auf das Feldbett in dem Zelt hinter dem Pavillon der Kontrollzentrale, in dem ihr Vater soeben mit seinem Assistenten Andy Swearingen verschwunden war. Sie stand da, schaute sich um und fühlte sich einsam.
In letzter Zeit verfiel sie häufig in eine trostlose Stimmung – die Geborgenheit, die sie in ihrer Kindheit erlebt hatte, war dahin. Es war unfair, fand sie. Alles war unfair. Sie war erst vierzehn, und keiner kümmerte sich um ihre Bedürfnisse, ihre Hoffnungen, ihre Ängste. Alles drehte sich nur noch um ihre Mutter und den Unfall. Oder um ihren Vater und das Artemis-Projekt. In den vergangenen Wochen hatte sie Tage erlebt, an denen ihre Eltern offensichtlich vergessen hatten, dass sie überhaupt existierte.
Und fast jede Nacht wurde ihre Mutter von Albträumen heimgesucht oder ihre Eltern stritten, weil ihr Vater durch seine Arbeit für die NASA so viel Zeit außer Haus verbrachte. Heute Morgen war es am schlimmsten gewesen. Als sie und ihr Vater in aller Frühe losfahren wollten, hatte sich ihre Mutter geweigert, herunterzukommen und sich von ihnen zu verabschieden. Cricket vermisste ihre Mutter, ihr fehlten die langen Gespräche mit ihr. Sie spürte einen
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