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66095: Thriller (German Edition)

66095: Thriller (German Edition)

Titel: 66095: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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in sich gekehrt war, zeigte sich im Innern der Höhle selbstsicher, ja fast auftrumpfend, und war bereit, bei der Durchquerung von Kaminen und Kriechgängen große Risiken auf sich zu nehmen. Am Ende des Tages hatten ihm einige der angehenden Höhlenforscher den Spitznahmen »Batman« verpasst. Andere nannten ihn Tommy Death. Ob durch Charakter oder Erziehung bedingt, fiel es Whitney schwer, sich anderen Menschen, vor allem Männern, zu öffnen. Sie war als Einzelkind aufgewachsen, und ihre Mutter war an Krebs gestorben, als Whitney zehn war. In seinem Kummer hatte sich ihr Vater, ein wortkarger Luftfahrtingenieur, von seiner Tochter zurückgezogen und sich ganz auf seine Arbeit konzentriert. Sie hatte mehrere Kindermädchen gehabt und immer wieder längere Zeit bei Verwandten gewohnt. Jede Trennung von einem Menschen, der ihr etwas bedeutete, war ihr noch deutlich in Erinnerung. Jedes Mal empfand sie diesen Schmerz, dieses Gefühl, nun wieder ganz allein dazustehen. Und so war Whitney dazu übergegangen, andere auf Distanz zu halten, sich in die Welt der Bücher zurückzuziehen und sich mit Sport abzulenken.
    Aber am Abend nach dem ersten Höhlenausflug, als sie auf der Veranda vor der Hütte saßen, in der sie übernachteten, war sie mit Tom Burke ins Gespräch gekommen. Sie wollte eigentlich nur eine Frage stellen, bevor sie sich schlafen legte, aber dann hatten sie sich vier Stunden lang unterhalten. Im persönlichen Gespräch zeigte er sich zurückhaltend, aber er roch so gut, hatte den Körperbau eines Felsenkletterers und sah – wie ihr schon vorher aufgefallen war – verdammt gut aus. Toms Vater war Ingenieur, genau wie ihrer. Seine Mutter war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als er zwölf war. Sie hatten beide den brennenden Wunsch, eine große wissenschaftliche Karriere zu machen, und er machte den Eindruck, als sei er mehr als nur ein bisschen einsam.
    Whitney wurde im Lauf der Stunden im Gespräch mit Burke unbehaglich zumute. Sie hatte das Gefühl, als stürzten ihre Schutzmauern ein, so dass sie verletzlich wurde und diesen Trennungsschmerz zu spüren glaubte, den sie so hasste. Sie beschloss, schlafen zu gehen, bevor ihr Tom zu nahe kam. Und das tat sie auch.
    Aber am nächsten Abend, nach einem weiteren wunderbaren Tag im Innern der Erde, saß sie wieder auf der Veranda der Hütte, sah den Regen fallen, lauschte verzückt Toms Geschichten und erzählte ihm mehr von sich, als sie jemals einem Menschen preisgegeben hatte. Kurz vor Mitternacht hörte es auf zu regnen. Im Mondschein machten sie einen Spaziergang zum Bach, wo es tröstlich nach Bäumen roch. Tom blieb unter einer Schierlingstanne stehen. »Darf ich dir etwas sagen?«
    »Warum nicht?«, meinte Whitney.
    Er legte den Kopf in den Nacken, dann platzte er heraus: »Ich habe noch nie vor irgendetwas Angst gehabt, aber du machst mir Angst.«
    »Ich?«, sagte Whitney überrascht. »Ausgerechnet ich?«
    Er sah zu Boden. »Ich habe so viel Zeit in Höhlen verbracht, und dort unten geht es mir immer gut, ich habe nie Angst, mich zu verirren …«
    »Und?«
    »Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich aus dir nicht mehr herausfinde, und das jagt mir eine Heidenangst ein.«
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, flüsterte sie und ihre Lippen fanden die seinen.

    Diese zärtliche Erinnerung wirkte unverhofft beruhigend auf Whitney: Die Panikattacke ließ nach, und zum ersten Mal, seit sie das Labyrinth betreten hatte, konnte sie sich auf die unterirdische Weit einlassen. Sie hatte nicht vergessen, wie man sich in Höhlen zurechtfand. Jede besaß ihre eigene Persönlichkeit. Um sich reibungslos in einer Höhle zu bewegen, musste man sich ihrer Persönlichkeit anpassen. All diese vertrauten Gedanken und instinktiven Verhaltensmuster standen jetzt schlagartig wieder zu ihrer Verfügung.
    Plötzlich schien sich die Höhlendecke in Luft aufzulösen. Eine dunkle graubraune Wand ragte jäh empor. Selbst auf höchste Stufe gestellt, reichte der Lichtstrahl ihrer Stirnlampe nicht bis zur Decke. Grenzenlose Dunkelheit verschluckte das Licht. Auf der Welt war nur eine Halle bekannt, die größer war als die, in der sie sich nun befand – die Sarawak-Kammer in Malaysia. Sie war groß genug, um einen achtzigstöckigen Wolkenkratzer aufzunehmen und lang genug, dass ein Sportflugzeug darin landen konnte.
    »Ist das unheimlich«, sagte Two-Elk.
    »Wie am Grund des Grand Canyon in einer mondlosen Nacht«, fand Sanchez.
    Whitney konsultierte den Kompass, dann

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