66095: Thriller (German Edition)
entfernt in den Dante-Röhren. Einer der schwierigsten Abschnitte der Höhle.«
»Damian wird als Erster dort sein«, freute sich der Polizist und klopfte Angelis auf den Rücken.
Swain drehte sich um und warf einen Blick auf Chester, der ein Stück hinter Angelis und Boulter an einem zweiten Computer saß und hektisch tippte. Eine Dose Cola light und ein angebissenes Doughnut lagen neben der Tastatur auf dem Tisch. Der Physiker überlegte, dass die Umwandlung von Burkes Daten in eine bessere Höhlenkarte schneller vorankommen könnte, wenn er Chester unterstützte. Aber Swain war überzeugt, dass Menschen, die isoliert arbeiten, ihre ganze Kreativität mobilisieren. Das war die Feuerprobe, die große Wissenschaftler bestehen mussten, und Chester sollte sich ihr ruhig allein stellen. Was sich Swain allerdings nicht eingestehen mochte, war die schlichte Tatsache, dass sein Neffe von Programmen wesentlich mehr verstand als er.
Plötzlich rückte Chester näher an den Bildschirm heran, tippte noch einige Befehle ein, lehnte sich zurück, griff nach der Coladose, trank sie aus und grinste. Dann stopfte er sich den Rest des Doughnut in den Mund und sah seinen Onkel an.
»Jetzt geben wir den Supercomputern an der Uni ein paar Stunden Zeit für die Berechnungen, und in der Zwischenzeit müssten die Laserprismen eintreffen, die ich im Labor bestellt habe. Dann haben wir’s geschafft.«
»Bist du dir mit deinen Berechnungen sicher?«, fragte Swain. »Mit der Codierung?«
Chester warf seinem Onkel einen ärgerlichen Blick zu. »Ja, ich bin mir sicher.«
»Das werden wir dann ja sehen, nicht wahr?«
Noch bevor sein Neffe etwas erwidern konnte, ließ ein Blitz das Zelt aufleuchten. Es folgte ein gewaltiger Donnerschlag, der sie alle zusammenfahren ließ.
»Verdammt noehmal, das war nah!«, rief Angelis.
»Sind die Zeltstangen aus Metall?«, fragte Swain, verstummte aber, als höre er in weiter Ferne ein Geräusch, das er nicht deuten konnte. Es war ein Rumpeln, aber kein Donnern. In seiner Kindheit hatte er schon einmal so etwas gehört. »Mein Gott, ein Erdbeben!«, schrie er.
Das ohrenbetäubende Dröhnen der ersten Schockwelle baute sich auf und pulsierte durch den Jenkins-Kamm. Die Veranda des baufälligen Farmhauses schwankte und stürzte ein. Das Dach des Gebäudes wurde in die Höhe gerissen und sackte dann in sich zusammen. Der grasbedeckte Boden schlug Wellen wie ein sturmgepeitschtes Meer. Am Waldrand wurden Bäume entwurzelt und fielen. Einige der Stromgeneratoren des Camps explodierten, so dass Feuerbälle in die Luft geschleudert wurden.
30 Kilometer flussaufwärts am Furnace gaben im Innern des Erddamms, der den Hermes-Stausee begrenzte, 14 der 87 Betonpfeiler dem ungeheuren Druck nach und verrutschten um 20 Zentimeter. Wasser drang in die Ritzen und begann an der Basis des destabilisierten Erddamms zu nagen.
Im Zelt der Kontrollzentrale sah Swain, dass Boulter durch die Luft geschleudert wurde wie eine Puppe. Ein Halteseil schlug Chester ins Gesicht. Ein Beleuchtungsmast traf Swain am Kopf und am Nacken, so dass er zu Boden ging. Dann rissen und brachen gleichzeitig alle Stangen, Spannschnüre und Pfosten des Zelts, und es fiel in sich zusammen.
Das Beben dauerte elf Sekunden, dann beruhigte es sich. Aus knisternden elektrischen Feuern stieg schwarzer, giftiger Rauch auf. Hunderte von Vögeln flatterten aufgeregt schreiend durch den strömenden Regen.
Swain richtete sich auf alle viere auf, hustete und schüttelte den blutenden Kopf wie ein Preisboxer, der gerade einen vernichtenden Aufwärtshaken kassiert hat. Rundum hörte er die Schreie und das Stöhnen der Verwundeten.
»Ein Erdbeben in Kentucky«, murmelte er. »Wie zum Teufel ist das möglich?«
Dann schoss ihm das Bild seiner Schwester durch den Kopf und die Panik packte ihn. »Chester!«, brüllte er. »Chester, wo bist du?«
16.10 Uhr
Königsschloss-Versturz
Munk-Kamm
Labyrinthhöhle
Whitney duckte sich unter dem Balkon am Gipfel des unterirdischen Berges. Ihr Blick folgte dem Lichtstrahl ihrer Stirnlampe, der sich in einer Wolke aus feinem weißen Staub über dem See in dem großen Hohlraum verlor.
Sie hatte Sanchez vor Augen, wie er vom Versturzhaufen rückwärts in den Abgrund stürzte und aussah, als könnte er es einfach nicht fassen, dass ihm der Tod bevorstand. An die Stelle von Sanchez trat vor ihrem inneren Auge erst Jeannie, dann Tom und schließlich Cricket. Whitney versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken.
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