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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht bereits heut ein neues dastehen!“
    „Beruhigen Sie sich, Balzer! Sie haben jetzt allerdings etwas zu erfahren, was Sie sehr betrüben wird; aber es wird nur kurze Zeit vergehen, so ist das Leid in Freude umgewandelt. Treten Sie doch einmal her an den Spiegel, und schauen Sie hinein!“
    Auf einem Mauervorsprung lehnte ein Stückchen Glas von einem zerbrochenen Spiegel. Balzer nahm es in die Hand und sah hinein. Er fuhr zurück, stieß einen Ruf des Schreckens aus, blickte wieder hinein, fuhr abermals zurück, kurz, er war in diesem Augenblick das leibhafte Bild des unglückseligsten Erstaunens.
    „Jesus Maria!“ rief er. „Wie schau ich da aus! Das kann doch ich nicht sein!“
    Er blickte die Anwesenden ratlos an. Dann erst fiel sein Blick zum ersten Mal auf seine eigene äußere Erscheinung. Das Blut wich ihm aus den Wangen. Er wollte sprechen, brachte aber kein Wort hervor. Er schluckte und schluckte, vergebens, es wollte ihm keine Silbe über die Lippen.
    Der Medizinalrat trat zu ihm, ergriff seine Hand, um nach dem Puls zu fühlen, und sagte:
    „Beruhigen Sie sich, Balzer! Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken.“
    „Nicht – so – schlimm?“ stieß der Bauer hervor. „Wie schau ich aus! Barfuß, mit solch einer zerrissenen Kleidung! Nicht gewaschen und auch nicht gekämmt. Und mein Gesicht ist so alt, als ob seit gestern zwanzig Jahren vergangen wären. Das kann ich nicht –“
    Er hielt inne, griff mit der Hand an die Stirn, stieß einen schrillen Schrei aus und sank auf den alten Stuhl zurück.
    Da trat der Sepp herbei, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte:
    „Balzerbauer, laß dich's halt nicht so angreifen! Der Herrgott hat's geben und hat's auch nommen. Wann er will, kannst du es auch wieder erhalten.“
    Der Bauer blickte zu ihm auf.
    „Diese Stimme ist mir bekannt“, sagte er, „und das Gesicht auch. Du bist halt der Wurzelseppen, aber auch viel älter, alst sein kannst. Oh, ich weiß, ich weiß! Ich hab nicht träumt. Es ist alles wahr, es ist alls wirklich geschehen, was ich für einen Traum halten hab. Ist's nicht so, Sepp? Sag mir die Wahrheit!“
    „Die will ich dir schon sagen. Du hast recht; es ist kein Traum gewest. Dein Gut ist abbrannt, und nun wohnst hier mit deiner Frauen und der alten Muttern.“
    „Hier, im Flachshaus wohn ich? Herrgott! Bin ich denn da Armenhäusler? Bin ich denn ein Hungerleidern worden?“
    „Es ist ja alles verbrannt, und der Eschenbauer hat das Gut für sich neu aufbaut.“
    „Wann – wann ist das Feuer gewest?“
    „Vor langen Jahren.“
    Der Bauer vergrub sein Gesicht in die beiden Hände und blieb eine lange Weile still. Der Medizinalrat winkte den andern, ihn nicht zu stören. Aus der Ecke, in welcher sich das Lager der Frau befand, erklang ein herzzerbrechendes Schluchzen. Der Bauer hob den Kopf und fragte:
    „Wer weint da? Wann ich hier wohne, so muß es eins von den Meinigen sein.“
    „Wenn Sie mir versprechen wollen, möglichst ruhig zu bleiben, so sollen Sie es erfahren“, antwortete der Arzt.
    „Oh, ich werd ruhig sein, ganz ruhig.“
    „So schauen Sie hin! Kennen Sie diese Frau?“
    Die andern traten zurück, so daß der Bauer nun das Lager sehen konnte. Ein hohläugiges Gesicht blickte ihm von dorther unter Tränen entgegen.
    „Wer, wer ist das?“ fragte er. „Die hab ich noch gar nie, niemals sehen.“
    Das ging der Kranken wie ein glühendes Eisen durch das Herz.
    „Balzer! Frieder!“ schluchzte sie, ihn bei seinem Familien- und auch Vornamen nennend. „Mich willst du nicht kennen, mich?“
    Er horchte auf.
    „Welch eine Stimm ist das? Das ist die Stimm von meiner Frau! Aber die kann's ja gar nicht sein! Kathrin, Kathrin, bist's denn wirklich oder bist's nicht?“
    „Ich bin's, ich bin's.“
    Da trat er die wenigen Schritte zu ihr hin. Er wollte sprechen, aber da öffnete sich die Tür, und die alte Balzerin, seine Mutter, trat ein.
    „Ich kann's nicht länger aushalten“, sagte sie. „Ich hab ihn reden hört. Er kann sprechen; er kann denken. Wenn da fremde Menschen dabei sind, so darf seine Mutter wohl auch mit hereinkommen.“
    Er hatte sich zu ihr umgedreht und sie wie eine Fremde angestarrt. Jetzt aber rief er aus:
    „Was? Wer bist? Meine Mutter bist? Meine Muttern willst sein?“
    „Ja, die bin ich. Kennst mich denn nimmer?“
    Da breitete er die Arme aus, als ob er in der Luft nach einem festen Halt suche.
    „O Gott“, stöhnte er. „Mir wird ganz schlimm. Es ist ganz dunkel vor denen

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