68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
Sonne weichen
Jetzt von Dscholamandelas Höhn,
In Dschalawan dein Stern erbleichen
Und im Verschwinden untergehn?
Spreng deines Grabes Felsenhülle,
Kalidasa, steig aus der Gruft,
Und komm in alter Macht und Fülle
Zum Thuda, der dich sehnend ruft!
Soll der Brahmane schlafen gehen,
Die Sakundala in der Hand,
Soll er den Zauber nicht verstehen,
Der ihn an deine Schöpfung band?
Des Himalaja mächt'ger Rücken
Steigt aus dem Wolkensaum hervor,
Und der Giganten Häupter blicken
Zum Ew'gen demutsvoll empor.
Ihn preist des Meers gewalt'ge Woge,
Die an Kuratschis Strand sich bricht
Und in des Kieles lautem Soge
Von ihm erzählt beim Sternenlicht.
Ihn preist des Kilau Ea Tosen,
Das jedes Herz mit Graun erfüllt,
Wenn aus dem Schlund, dem bodenlosen,
Das Feuermeer der Tiefe quillt.
Ihn preiset des Suakrong Stimme,
Die donnernd aus den Dschungeln schallt,
Wenn er im wilden Siegesgrimme
Die Pranken um die Beute krallt –“
Bisher waren die Worte des Gedichtes nur dem König, dem Medizinalrat und dem Pfarrer verständlich gewesen. Walther sollte sich ja in indischen Bildern und Ausdrücken bewegen. Er besaß eine kräftige, sonore, aber zugleich jeder zarten Biegung fähige Stimme. Sein Vortrag hatte etwas Gefangennehmendes, mit sich Fortreißendes.
Hatte das Gesicht des Königs erst eine bedeutende Spannung ausgedrückt, so legte sich jetzt ein Zug der Beruhigung über dasselbe. Der Monarch holte leise, aber tief Atem, wendete sich halb ab und schloß die Augen, um diese biegsame, wohlklingende Stimme ganz auf sich einwirken zu lassen.
Walther fuhr in der Verherrlichung Brahmas fort:
„Und ewig war er, eh die Rosse
Des grausigen Geulodon
Im Urweltmeer der riesengroße
Ichthyosaurier geflohn.
Und ewig bleibt er und wird wohnen
In nie geahnten Sonnenhöhn,
Wenn Weltengenerationen
Durch ihre Urkraft neu erstehn.
Und Herr ist er. Vom Eiseslande,
Wo träg zum Meer die Lena zieht,
Bis weithin, wo am Felsenstrande
Der Wilde dem Yahu entflieht.
Und Herr bleibt er. Im Sternenheere
Erblickst du seiner Größe Spur,
Sein Fuß ruht in dem Weltenmeere,
Und sein Gesetz ist die Natur.“
So verkündete der Priester weiter das Lob und den Preis seines Gottes und erzählte dann, daß andersgläubige Männer in das Land gekommen seien, welche sich Missionare nennen. Im Gefolge dieser Männer kommen fremde Krieger, welche Kampf und Unterjochung bringen:
„Wo die Almeah kaum die Lieder
Der nächtlichen Bhowannie sang,
Tönt in die stillen Ghauts hernieder
Der Kriegstrompete heller Klang.
Die duftenden Thanakafelder
Zerstampft der Rosse Eisenhuf;
Der Phansegar flieht in die Wälder,
Vor seiner Feinde Siegesruf.
Des Ganges Welle muß sie tragen
Bis hin zu Shiwas heil'gem Ort,
Und ihre Feuerboote jagen
Die gottgeweihten Tiere fort.“
Und nun schildert der Priester haßerfüllt das Auftreten der Christen und beschwört seine Anhänger, zum Schwert zu greifen, um die Fremden zu vernichten und dem finsteren Shiwa zu opfern. Er vergleicht beide Religionen, den Brahmanismus und das Christentum, und spricht eben davon, daß das letztere nur Irrlehren enthalte; er weist dies durch Beispiele scheinbar nach, da wird er von dem Missionar unterbrochen, welcher hinter einer Säule des Tempels verborgen, der heidnischen Predigt zugehört hat und nun hervortritt und dem Priester in die Rede fällt:
„Halt ein! Wollt ihr Gott wahrhaft finden,
Oh, so verwischt nicht seine Spur!
Der Zweifel muß und wird verschwinden:
Den Schöpfer kennt die Kreatur.
Sucht ihn im sphärischen Akkorde,
Im großen Weltzusammenhang!
Dort öffnet sich des Himmels Pforte,
Aus der sein Ruf hernieder klang.
Doch ihr beschweret eure Flügel
Mit eures Irrtums Tyrannei.
Ihr schäumt und knirschet in die Zügel
Und glaubt in Ketten euch noch frei.“
Und nun beginnt er von dem Allmächtigen, Allgerechten, Allweisen und Alliebenden zu sprechen, von der Sündhaftigkeit und Undankbarkeit der Menschen, von dem Sehnen nach Erlösung, von der Weissagung und Verkündigung des Heilandes, von der Geburt, der Lehre, dem Mittlertode des Erlösers. Seine Worte werden getragen von höchster Begeisterung; sie wirken hinreißend, überzeugend. Die Blicke der Hörer hangen an seinem Mund. Endlich schloß er mit den Worten:
„Dann einet sich zu einem Strome
Die Menschheit all von nah und fern
Und kniet anbetend in dem Dome
Der Schöpfung vor dem einen Herrn.
Dann wird der Glaube triumphieren,
Der einen Gott und Vater kennt;
Die Namen sinken, und es führen
Die Wege all zum
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