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7 Minuten Zu Spät

7 Minuten Zu Spät

Titel: 7 Minuten Zu Spät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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nach dem Säugling abgesucht. Eine Analyse des Zahnstatus bestätigte, dass es sich bei der Leiche um Lauren handelte. Die Presse schloss die Möglichkeit nicht aus, dass Laurens Baby – es – unter Wasser spontan zur Welt gekommen sein konnte.
    Es. Ivy war kein Neutrum.
    Im Frühjahr hatte Alice zwei winzige Kleidchen gekauft, eins davon mit einem passenden Mützchen. Es waren Ivys Kleider, und sie würde sie für sie aufheben, bis man sie gefunden hatte. Laurens Tod war jetzt bestätigt, aber Ivy konnte trotzdem noch am Leben sein.
    Der Kanal war ein abgeschlossenes Wassersystem mit einem Gitter an der Mündung zum Meer. Ein ausgetragenes Baby passte dort nicht hindurch. Und wenn Ivy da war, würden sie sie finden.
    Alice lernte viele Dinge an diesem grauenhaften Montag, drei Tage nach Laurens Verschwinden. An dem Tag, an dem ihre zerschundene Leiche gefunden wurde. Sie lernte, wie unermesslich tief Trauer sein kann. Sie lernte, wie man in einem halb bewussten Zustand, in dem man kaum atmet, am Leben bleiben kann. Und sie lernte, dass Verlust, gewalttätiger Verlust, gnadenlos war.
    Simon hatte die Neuigkeit ebenfalls erfahren und war sofort zum Kanal geeilt, um Maggie und Alice zu sich nach Hause zu holen. Von dort aus rief er Mike in seiner Werkstatt an. Der Laden wurde geschlossen, und die Kinder wurden unter Sylvies Aufsicht in Maggies Wohnung gebracht, während die Erwachsenen sich bei Simon darauf vorbereiteten, zu Tim und Austin zu gehen, der von seiner Kindergärtnerin persönlich nach Hause gebracht worden war.
    Schweigend machte sich die kleine Gruppe auf den Weg zu Laurens und Tims Wohnung. Alice fühlte sich völlig benommen. Sie wünschte, sie könnte die Zeit zurückdrehen zu jenem Morgen, an dem sie noch fest entschlossen gewesen war, auf keinen Fall das Schlimmste anzunehmen. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, sie könne zu Mike sagen: Du hattest Recht. Es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
    Als sie bei Tim ankamen, hatte Alice keine Ahnung, wie spät es war. Sie hatte ihr Zeitgefühl völlig verloren. Aber es war heller Tag, und die Luft war sommerlich warm. Tim empfing sie an der Tür, blass und mit mechanischen Bewegungen. Er sagte nichts, als sie eintraten, atmete nur aus, als habe er die ganze Zeit über die Luft angehalten, und ließ sich von jedem Freund umarmen.
    Gina – Austins und Peters Kindergärtnerin – saß auf Laurens Lieblingssessel, dem roten, in dem sie immer gelesen hatte. Austin lag auf dem Boden und spielte mit Bauklötzen, während sie ihn sanft ermunterte, immer höher zu bauen. Ihr langer Pferdeschwanz hing ihr über die Schulter, und der Anblick stimmte Alice unerklärlicherweise traurig. Gina ging so zärtlich mit Austin um. Austin, der mit seinen dicken, sandfarbenen Haaren Lauren viel ähnlicher sah als Tim. Alice wäre am liebsten gleich zu ihm gelaufen, aber sie wusste nicht, wie viel er begriffen hatte, und sie wollte ihn nicht ängstigen. Stattdessen lächelte sie ihm zu.
    »Nein!«, schrie er und warf seinen Turm um. Offensichtlich hatte er etwas in ihrem Gesicht, in allen Gesichtern, gesehen. Er war zwar erst fünf, aber er musste ja spüren, wie die Atmosphäre um ihn herum aus dem Gleichgewicht geraten war. Er sprang auf und rannte aus dem Wohnzimmer.
    Tim blickte ihm gequält nach. »Ich muss es ihm sagen.« Seine Stimme klang gebrochen.
    »Ich gehe ihm nach«, erbot sich Alice.
    »Ja, genau«, sagte Maggie. »Wir reden mit ihm.«
    »Nein, das muss ich schon selber machen.« Tim atmete tief ein, als bekäme er nicht genug Luft in die Lunge.
    Er folgte seinem Sohn, und dann schloss sich eine Tür hinter ihm.
    Gina stand seufzend auf. »Es tut mir so Leid«, sagte sie.
    Simon dankte ihr dafür, dass sie Austin nach Hause gebracht hatte, und begleitete sie zur Tür. Als er wieder ins Wohnzimmer kam, fiel Alice auf einmal ein, dass die Männer für diesen Abend Tickets für ein Yankee-Spiel hatten. Sie sah die drei leeren Plätze förmlich vor sich und verfolgte im Geist, wie der weiße Ball sich lautlos in den blauen Himmel schraubte.
    Alle Fenster in der Wohnung waren geschlossen, und niemand machte sich die Mühe, eines zu öffnen. Alice setzte sich neben Maggie auf die Couch, die Lauren erst kürzlich mit eierschalenfarbener Rohseide neu hatte beziehen lassen.
    Mike stellte sich hinter den roten Sessel und strich mit der Hand unablässig über den Stoff. Simon trat an eines der Fenster und positionierte sich dort so, als sei es ein Ausguck.
    Alle

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