7 Werwolfstories
zertrampelte er mich auch, ehe ich Absarka! sagen konnte. Er hatte dann genug und versuchte es nie wieder. Oder damals in Darjeeling – aber wie ist es, Kollege? Wollen Sie die ganze Nacht nackt herumstehen?«
»Nein«, sagte Wolf. »Ich verwandle mich jetzt. Nehmen Sie meinen Anzug ins Hotel mit?«
»Gern. Und ich habe ein ganz kleines Zauberchen über den Nachtportier geworfen, nur so viel, daß er keinen Wolf bemerkt, der ins Hotel kommt. Übrigens – haben Sie irgend etwas vermißt?«
»Nicht daß ich wüßte. Warum?«
»Mir war so, als ob heute nachmittag jemand aus ihrem Zimmer kam. Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, er kam aus Ihrem Zimmer. Ein junger Mann mit rotem Haar und à la Hollywood gekleidet.«
Wolfe Wolf runzelte die Stirn. Das verstand er nicht. Die sinnlose Fragerei war schon eine Frechheit gewesen, aber das Zimmer durchsuchen – Doch was war schon ein Detektiv gegen einen ausgewachsenen Werwolf? Er grinste, nickte Ozymandias dem Großen freundlich zu und sagte das Zauberwort.
Der Schmerz war nicht so schlimm wie am Morgen, aber immer noch stark genug. Doch ging er gleich vorbei, und sein Körper war von einem Gefühl schrankenloser Freiheit erfüllt Er hob die Schnauze und schnüffelte in die frische Nachtluft. Schon allein diese neue feinspürige Nase eröffnete ihm ein neues Paradies. Er wedelte Ozzy freundlich mit dem Schwanz zu und fiel in eine lange, federnde Gangart.
Stundenlang genügte es ihm, nur mit diesem Gefühl der Leichtigkeit herumzulaufen. Es war das reinste Vergnügen, sich nur an diesem Wolfsgefühl zu erfreuen. Wolf trabte in die Hügel und durch die dichten Wälder, die unendlich fern aller Zivilisation schienen. Seine Beine waren kräftig und unermüdlich, seine Lungen arbeiteten mühelos. Immer neue Düfte nach Erdboden, Blättern und Luft umschmeichelten seine Nase, und das Leben war herrlich.
Aber nach einigen Stunden fühlte Wolf sich einsam. Das war ja alles ganz schön, doch wenn seine Gefährtin Gloria es mit ihm teilen könnte … Und was nützte es, ein prächtiger Wolf zu sein, wenn niemand da war, der ihn bewunderte: Er begann, sich nach menschlicher Gesellschaft zu sehnen, und kehrte zur Stadt zurück.
In Berkeley geht man früh zu Bett. Die Straßen waren menschenleer. Hier und da brannte ein Licht, wo ein Student wohl über seiner Prüfungsarbeit brütete. Auch Wolf hatte so gepaukt. In seiner jetzigen Gestalt konnte er nicht lachen, aber sein Schwanz zuckte amüsiert, als er sich daran erinnerte.
In einer baumbestandenen Straße hielt er an. Hier war die Witterung ganz frisch, obwohl er niemanden sehen konnte. Dann hörte er ein leises Wimmern und trabte darauf zu.
Hinter den Büschen eines Vorgartens saß ein trauriger kleiner Junge von ungefähr zwei Jahren. Er zitterte vor Kälte und war anscheinend stundenlang umhergeirrt. Wolf legte eine Pfote auf die Schulter des Kleinen und schüttelte ihn sanft.
Der Junge blickte sich um und zeigte keine Angst. »Ho!« sagte er, und sein Gesichtchen hellte sich auf.
Wolf knurrte freundlich, wedelte mit dem Schwanz und scharrte mit einer Pfote, um dem Kind klarzumachen, daß er es begleiten würde, wo immer es hinwollte.
Das Kind stand auf und wischte sich mit seinen schmutzigen Händchen die Tränen weg, wobei es das ganze Gesicht verschmierte. »Weiweiweiwei!« sagte es.
Er will wohl spielen, dachte Wolf. Sacht packte er einen Ärmel und zog daran.
»Weiweiweiwei!« wiederholte der Junge fest. »Komma weg.«
Das erschien Wolf höchst verwunderlich. Was konnte der Kleine schon von Grammatik verstehen? Und dann ging ihm ein Licht auf. Das Kind versuchte, ›2222 Corner Weg‹ zu sagen, wie man es ihm wohl unzählige Male vorgesagt hatte. Wolf blickte zum
Weitere Kostenlose Bücher