7 Werwolfstories
Straßenschild empor. Der Corner Weg war ganz in der Nähe.
Wolf wollte nicken, aber dazu waren seine Halsmuskeln nicht geeignet. So wedelte er wieder mit dem Schwanz, hoffte, der Kleine würde ihn verstehen, und setzte sich in Bewegung.
Der kleine Junge freute sich und sagte: »Lieber Wauwau.«
Einen Herzschlag lang fühlte sich Wolf wie ein Spion, den man plötzlich mit seinem richtigen Namen anspricht. Dann wurde ihm bewußt, daß viele Leute ›Wauwau‹ zu einem Hund sagen, besonders Kinder.
Er führte das Kind seinem Zuhause entgegen. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, daß dieses unschuldige kleine Wesen ihm blindlings vertraute. Ja, Kinder waren etwas Besonderes; er hoffte, daß Gloria seine Meinung teilte. Dann kam ihm der Gedanke, was wohl geschehen würde, wenn er dem Kleinen das Zauberwort beibrachte. Wie nett wäre es, ein Hündchen zu haben, das …
Er blieb stehen. Seine Nase zuckte, und seine Nackenhaare stellten sich auf. Vor ihnen stand ein riesiger Köter, eine Mischung aus Bernhardiner und Eskimohund. Aus seinem giftigen Knurren ging hervor, daß er sich durchaus nicht zu guten Taten verpflichtet fühlte. Er war ein Streuner, ein Feind von Mensch und Hund. Und sie mußten an ihm vorbei.
Wolf hatte keine Lust zu kämpfen. Sicher, er war genauso groß und durch seinen menschlichen Verstand auch viel klüger. Aber die Narben aus einem Hundekampf würden sich auf der Haut von Professor Wolf nicht gut machen, und außerdem bestand die Gefahr, daß der Kleine verletzt wurde. Es war wohl besser, auf der anderen Straßenseite weiterzugehen. Doch ehe er das Kind entsprechend wegdrängen konnte, sprang der Köter mit blutdürstigem Knurren auf sie zu.
Wolf stellte sich sprungbereit vor das Kind. Die Aussicht, daß er verwundet würde, wog wenig im Vergleich zu dem Vertrauen, das der Kleine zu ihm hatte. Schon wollte er dem Angreifer eine Lektion erteilen, gleichgültig, was er selbst dabei abbekam, als der große Hund plötzlich seine Attacke stoppte. Sein Knurren wurde zu einem erbärmlichen Winseln. Seine Flanken zitterten. Er klemmte den Schwanz zwischen die Beine. Dann drehte er sich um und floh.
Das Kind gluckste fröhlich. »Böser Wauwau ist weg.« Es schlang seine Ärmchen um Wolfs Hals. »Guter Wauwau!« Dann richtete es sich auf und sagte eindringlich »weiweiweiwei Komma weg«, und Wolf führte ihn weiter. Sein Wolfsherz schlug so stolz, wie es nie zuvor geschlagen hatte – nicht einmal weibliche Zärtlichkeit hatte das je zu bewirken vermocht.
Nummer ›weiweiweiwei‹ war ein kleines Haus, das ziemlich weit von der Straße zurückgesetzt war. Es brannte noch Licht, und schon vom Bürgersteig aus hörte Wolf eine schrille Frauenstimme.
»… schon seit fünf Uhr, und Sie müssen ihn finden, Wachtmeister. Sie müssen! Wir haben die ganze Nachbarschaft abgesucht und…«
Wolf stellte sich auf die Hinterpfoten und klingelte mit der rechten Vorderpfote.
»Oh! Vielleicht kommt jemand. Die Nachbarn sagten, daß … Kommen Sie, Wachtmeister, wir wollen nachsehen. Oh!«
Im gleichen Moment, als Wolf höflich bellte und der Kleine »Mama!« schrie, kreischte die junge Frau los, teils vor Entzücken, weil sie ihr Kind wieder hatte, teils vor Schreck über den riesigen grauen Hund, der daneben stand. Sie riß das Kind hoch und wandte sich an den Uniformierten. »Wachtmeister! Da! Dieses schreckliche Untier! Es hat meinen Robby entführt!«
»Nein«, protestierte Robby energisch, »guter Wauwau!«
Der Polizist lachte. »Wahrscheinlich hat der Kleine recht. Das ist ein guter Wauwau. Fand Ihren Jungen und brachte ihn her. Haben Sie nicht einen Knochen für ihn?«
»Den gräßlichen Riesenköter in mein Haus lassen? Niemals! Komm, Robby!«
»Will guten Wauwau haben.«
»Ich werd’ dir
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