7 Werwolfstories
hereingesprungen sein. Wie Sie sehen, ist das Glas zersplittert. Als ich näher kam, schoß er wieder ins Freie und lief weg. Die Spuren sind überall zu sehen.«
Ich begleitete ihn hinaus. Es war, wie er gesagt hatte.
»Die Jäger werden bald hier sein«, sagte er. »Jetzt können sie die Spur leicht aufnehmen, denke ich.«
Ich nickte.
Plötzlich erklang Gebell aus dem Wald. Die Stimmen aufgeregter Männer vermischten sich mit dem Geheul der Hunde.
Dr. Meroux zwirbelte seinen Schnurrbart und wandte sich um. »Sie haben ihn gestellt!« rief er. »Hören Sie nur!«
Rufe und leise Worte. Knackende Geräusche aus dem Gehölz. Ein schriller Schrei. Und dann …
Eine Salve von Gewehrschüssen.
»Nom de Dieu! Sie haben ihn!« frohlockte der Arzt.
Wieder Hundegebell, aber jetzt näher. Zweige krachten unter eiligen Schritten. Die Stimmen waren ganz nah.
Und da, aus der Lichtung vor der Hütte, kroch der Wolf.
Das riesige Tier keuchte erschöpft. Es schleppte seinen zerschossenen Körper über den offenen Platz, eine schwarze Blutspur hinter sich lassend. Der große Kopf kippte hin und her, das Maul stand offen, und das Tier winselte schmerzerfüllt, während es auf uns zukam.
Meroux zog seinen Revolver hervor und entsicherte ihn. Ich hielt seine Hand fest.
»Nein!« wisperte ich. »Nein!«
Ich ging auf den Wolf zu. Seine Augen trafen die meinen, doch spiegelte sich kein Erkennen darin – nur der glasige Blick des herannahenden Todes.
»Lisa!« flüsterte ich. »Du konntest nicht warten.«
Der Arzt hörte nicht, was ich sagte, wohl aber der Wolf. Der Kopf ruckte hoch, und ein abgerissener Laut kam aus dem zottigen Hals.
Dann starb der Wolf.
Ich sah ihn sterben. Der Vorgang war ganz einfach. Die Pfoten versteiften sich, der Kopf sank herunter, und der Wolf lag lang ausgestreckt da.
Ich konnte dabeistehen und zusehen, wie der Wolf starb.
Was dann geschah, war nicht so leicht zu ertragen.
Denn Lisa starb.
Als ich die Verwandlung von Frau zu Wolf beobachtete, hatte ich kalten Blutes die Zeit gestoppt.
Jetzt, da ich die Verwandlung von Wolf zu Frau sah, konnte ich nur schaudern und aufschreien.
Der Körper dehnte sich, wand sich, streckte sich. Die Ohren sanken in den Schädel, die Glieder wurden länger und bedeckten sich mit weißem Fleisch. Neben mir schrie Dr. Meroux, aber ich vermochte ihn nicht zu verstehen. Ich konnte nur unverwandt hinschauen, als die Wolfsgestalt verschwand und Lisa in ihrer nackten Lieblichkeit wie eine aufbrechende Knospe erschien – eine weiße, blasse Todeslilie.
Dort lag sie, ein totes Mädchen im Mondlicht. Ich weinte auf und wandte mich ab.
»Nein – das kann nicht sein!«
Der heisere Aufschrei des Arztes rief mich zurück. Er deutete mit zitternder Hand auf die weiße Gestalt zu unseren Füßen.
Ich starrte darauf und sah – noch eine Verwandlung!
Es geht über meine Kraft, diese Verwandlung zu beschreiben. Ich kann mich nur erinnern, daß Lisa mir nie erzählt hatte, wie und wann sie ein Opfer der Lykanthropie geworden war. Ich weiß nur, daß die Nahrung, an welcher der Werwolf sich labt, ihm eine unnatürliche Jugend verleiht.
Denn die Frau zu unseren Füßen alterte vor unseren Augen.
Frau zu Wolf – diese Metamorphose ist widerlich genug anzusehen. Aber diese letzte Scheußlichkeit war viel schockierender. Aus dem bezaubernden Mädchen wurde eine uralte Frau.
Und aus der alten Frau wurde noch Schlimmeres.
Zum Schluß lag etwas unglaublich Altes leblos auf der Erde. Etwas Zerknautschtes und Geschrumpeltes gaffte mit dem Grinsen einer Mumie zum Mond hinauf.
Lisa hatte endlich ihre wahre Gestalt angenommen.
Der Rest muß sehr schnell geschehen sein. Die Männer kamen mit den Hunden. Dr. Meroux beugte sich über das Etwas, das Wolf und Frau gewesen und jetzt keines von
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