7 Werwolfstories
Verdacht zerstreut, den Cragin gehegt haben mochte. Ich hatte ihn dazu gebracht, daß er sich ob seines geheimen Glaubens schämte, daß in den Flüstergeschichten über Werwölfe vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit steckte.
Ich beschloß, mit Violet genauso zu verfahren. Ganz ruhig berichtete ich ihr den Verlauf der Unterredung.
Sie hörte schweigend zu.
»Und jetzt, Liebste, erkennst du sicherlich die Wahrheit«, schloß ich. »Der Wolf ist wirklich – aber es ist nur ein Wolf. Du dachtest, er könnte noch etwas anderes sein, weil er eine gewisse Intelligenz zeigte. Doktor Meroux sagte mir, daß derartige Mordwölfe an Menschen gewöhnt und viel schlauer sind.
Aber als er tötete, benahm er sich wie ein Tier. Es ist ein Wolf und weiter nichts. Heute nacht werden sie ihn stellen, und du kannst wieder ruhig schlafen.«
Violet legte eine Hand auf meinen Arm.
»Bleibst du hier?« fragte sie.
Ich runzelte die Stirn.
»Nein. Ich gehe zur Kreuzung und schließe mich den Jägern an. Es ist eine Ehrensache für mich, dabeizusein.«
»Ich wünschte, du würdest… Ich habe Angst…«
»Schließ die Türen ab. Ein Wolf kann kein Türschloß aufmachen.«
»Aber…«
»Ich gehe mit auf die Jagd. Glaube mir, du wirst sicherer sein, wenn ich heute nacht nicht hier bin.«
Es war kurz vor Mondaufgang, als ich Lisa unter den Bäumen hinter dem Haus traf.
Sie stand im Schatten, und mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich sah, daß es eine Frau war, die auf mich wartete, und nicht ein Wolf.
Ihr Lächeln und ihre zärtliche Begrüßung beruhigten mich noch mehr.
»Ich wußte, daß du kommen würdest«, sagte sie. »Jetzt können wir Zusammensein. Oh, Charles, ich habe solche Angst!«
»Angst?«
»Ja. Hast du es nicht gehört? Dieser Cragin – von der Mounted Police –, was er gesagt hat? Er kam heute zu mir und fragte, ob ich etwas über den Wolf wüßte. Leon hat in der Taverne wie ein altes Weib geklatscht, daß ich nachts spazierengehe, und er hat Geschichten über Werwölfe erzählt.«
»Mach dir keine Sorgen«, tröstete ich sie und erzählte ihr kurz von meiner Unterhaltung mit Cragin.
»Aber sie gehen heute nacht auf die Jagd«, sagte Lisa. »Leon hat sein Lokal geschlossen, und die meisten Männer gehen mit Cragin. Sie sind bei Sonnenuntergang aufgebrochen und um den See herumgegangen. Sie wollen bei Big Pierres Blockhaus anfangen und von dort aus dem Wolf nachspüren.«
»Warum sollte dich das beunruhigen?« antwortete ich lächelnd. »Es gibt keinen Wolf. Heute nacht sind du und ich zusammen.«
»Ja, das stimmt«, sagte Lisa. »Solange ich bei dir bin, brauche ich nichts zu fürchten.« Sie bedeutete mir, ihr zu dem Steilabhang hinter den Bäumen zu folgen.
»Wollen wir uns hierher setzen und uns unterhalten?« schlug sie vor. »Leon hat zwar zu, aber ich war vorher dort und habe Wein besorgt. Du magst doch Wein, Charles, nicht wahr?«
Sie langte einen Krug hervor, und wir legten uns ins Gras.
Der Wein war süß, aber stark. Als der Mond im Osten aufging, trank ich.
Plötzlich packte sie mich an der Schulter.
»Horch!«
Ich hörte es von weither – von weit über dem See. In das schwache Geschrei menschlicher Stimmen mischte sich ein schrilles, monotones Gekläff.
»Sie sind auf der Jagd und haben Hunde dabei.«
Lisa schauderte zusammen. Ich nahm einen tiefen Schluck und zog sie an mich.
»Kein Grund zur Beunruhigung«, tröstete ich sie.
Trotzdem fühlte ich, wie Furcht in mir aufstieg, als ich zum Himmel aufblickte, und diese Furcht wuchs mit den lauter werdenden Geräuschen, die vom See her herüberklangen.
Sie jagten einen Werwolf – und ich hielt sie in meinen Armen.
Lisas stolzes, wildes Profil hob sich gegen die blasse Mondscheibe ab.
Mond und Mädchen, die sich gegenseitig anstarrten. Und ich starrte auf beide …
Wenn der Mond aufsteigt, so auch das
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