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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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machen will, dann ist Ihm das jetzt sicher gelungen. Ich beugte mich nach vorn, legte meinen Arm und meine Schulter auf Arturos Brust, um ihn zu wärmen. Als ich seinen rhythmischen Atem hörte und spürte, wie sein Körper sich von Zeit zu Zeit vor Schmerzen anspannte, sagte ich zu mir: Das ist ein richtiger Mann.
    Auch andere waren mir mit Mut und Selbstlosigkeit ein Vorbild. Enrique Plateros Bauch war beim letzten Aufprall von einem Rohr durchlöchert worden, aber er tat seine Verletzung ab, als wäre es nur ein Kratzer, und das, obwohl eine Woche nach dem Unfall immer noch ein Stück seines Dünndarms aus der Bauchwunde ragte. Ich hatte Enrique immer gemocht. Ich bewunderte ihn, weil er großen Respekt vor seinen Eltern hatte und seine Familie über alles liebte, die keines unserer Spiele je versäumte. Enrique spielte in unserer Mannschaft eine tragende Rolle; er war kein auffälliger Spieler, aber eine stetige, verlässliche Größe auf dem Spielfeld – immer zur Stelle, wenn man ihn brauchte, und rückhaltlos bemüht, zu unserem Sieg beizutragen. Hier im Gebirge verhielt er sich genauso. Er tat immer, was man von ihm verlangte, und nicht nur das. Er klagte nie und trug keine Verzweiflung zur Schau, und obwohl er in dem Flugzeugrumpf zu den ruhigen Gestalten gehörte, wussten wir stets, dass er alles tun würde, was unserem Überleben diente.
    Auch Gustavo Nicholich, den wir alle nur Coco nannten, beeindruckte mich mit seiner Stärke. Coco war Dritte-Reihe-Stürmer bei den Old Christians – schnell, kräftig und zweikampfstark. Er war immer gutgelaunt und hatte einen feinen Sinn für Humor. Marcelo hatte Coco zum Leiter der Putztruppe gemacht, zu der vor allem die Jüngeren aus unserer Gruppe gehörten – Alvaro Mangino, Coche Inciarte, Bobby François und andere. Sie hatten die Aufgabe, den Rumpf möglichst sauber zu halten: Sie lüfteten jeden Morgen die Sitzkissen, auf denen wir schliefen, und legten sie abends wieder auf dem Fußboden aus. Coco sorgte dafür, dass die Mitglieder seiner Truppe ihre Arbeit ernst nahmen, aber er wusste auch, dass er die jungen Leute beschäftigen musste, um sie von ihren Ängsten abzulenken. Während er die Jungen beaufsichtigte, hielt er sie mit Witzen und Geschichten bei Laune. Wenn sie Pause machten, drängte er sie, Scharaden und andere Spiele aufzuführen. Wenn jemand lachte, lag es an Coco. Solch ein Lachen erschien uns hier in den Bergen wie ein kleines Wunder, und es besserte bei vielen die Laune.
    Ganz besonders bewunderte ich die Stärke und den Mut von Liliana Methol. Die 35-Jährige war die Ehefrau von Javier Methol, der mit seinen 38 Jahren als Ältester überlebt hatte. Liliana und Javier gingen äußerst vertraut und liebevoll miteinander um. Beide waren leidenschaftliche Fans unserer Mannschaft, aber die Reise sollte für sie auch ein kurzer romantischer Ausbruch aus dem Alltag werden, eine seltene Gelegenheit, allein ein gemeinsames Wochenende zu genießen, nachdem sie ihre vier Kinder zu Hause bei den Großeltern gelassen hatten. Unmittelbar nach dem Absturz hatte Javier unter schwerer Höhenkrankheit gelitten, die sich bei ihm in ständiger Übelkeit und unüberwindlicher Müdigkeit äußerte. Er konnte kaum mehr tun, als in einem Zustand der partiellen Teilnahmslosigkeit über die Absturzstelle zu stolpern. Liliana kümmerte sich um ihn und ging den Rest der Zeit Roberto und Gustavo als unermüdliche Krankenschwester zur Hand. Damit war sie den beiden bei der Versorgung der Verletzten eine große Hilfe.
    Nach Susys Tod war Liliana die einzige überlebende Frau, und anfangs behandelten wir sie besonders rücksichtsvoll: Wir bestanden darauf, dass sie bei den Schwerverletzten im Gepäckraum der Fairchild schlief, dem wärmsten Teil der Maschine. Das tat sie einige Nächte lang, aber dann erklärte sie, sie werde eine solche Sonderbehandlung nicht mehr annehmen.Von da an schlief sie bei uns anderen im Hauptteil der Kabine, wo sie die Jüngeren um sich sammeln und nach ihnen sehen konnte. »Deck dir den Kopf zu, Coche«, sagte sie dann zum Beispiel, während wir nachts im Dunkeln lagen. »Du hustest zu viel, die Kälte reizt deinen Rachen. Bobby, ist dir warm genug? Soll ich dir die Füße massieren?« Ständig sorgte sie sich um ihre eigenen Kinder und doch brachte sie den Mut und die Liebe auf, diese verängstigten Jungen zu trösten, die so weit weg von ihren Angehörigen waren. Sie wurde für uns alle zu einer zweiten Mutter, und sie war alles, was man

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