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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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dabei den Stuhl zurück und packte seinen Teller. Er warf ihn, knapp an Emilies Gesicht vorbei, gegen die dahinterliegende Wand. Dieser zerschellte in unzählige Fragmente, während sich das restliche Essen sowohl an der Wand, als auch auf dem Boden ausbreitete.
    »Du widerst mich an! Du dreckige Schlampe! Du bist nichts wert! Ich sollt dich …«
    Emilie hob schützend die Hände vors Gesicht und fing zu weinen an. Sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, so sehr sie es auch wollte. Sie hatte so viel Angst wie schon lange nicht mehr.
    »Und jetzt noch heuln, oder was?! Spinn ich?! Ne Heulsuse! Ne Heulsuse!
    Schnauze!«
    Während ihr Papa das letzte Wort brüllte, packte er diesmal ihren Teller und warf auch diesen nur knapp an ihrem Kopf vorbei gegen die Wand. Dasselbe Spiel wie beim letzten Mal.
    »Sieh nur, was du angerichtet hast! Räum sofort den Mist auf und dann ab ins Bett! Ich will dich heut nimma sehn, verstandn?!«
    »Ja … ja …«, antwortete sie verheult und eingeschüchtert.
    Ihr Papa wandte sich um, verlor das Gleichgewicht und torkelte zum Kühlschrank. Nachdem er sich ein Bier genommen hatte, ging es schleppend weiter Richtung Wohnzimmer. Endlich war Emilie allein in der Küche. Aufhören zu weinen konnte sie dennoch nicht.
    Sie saß immer noch auf ihrem Stuhl und vergrub ihre rotunterlaufenen Augen hinter ihren zarten Händen. Sie weinte unaufhörlich. Jede Träne war ein Teil ihrer Angst, die sich einen Weg an die Oberfläche bahnte. Da ihre Furcht nicht schwand, versiegten auch die Tränen nicht. Sie brauchte noch mehr Zeit.
    Oh Mama … Mama … warum hast du mich nur verlassen? Ich … ich vermisse dich so … ich brauch dich doch so sehr.
    In Momenten wie diesen wünschte sich Emilie mehr als alles andere auf der Welt ihre Mama zurück. In ihren Armen hätte sie sich jetzt verkriechen können. Doch sie war nicht hier. Emilie war allein … ganz allein.
    Der Fluss der Trauer und Angst versiegte und mit verschwommener Sicht machte sich Emilie daran, die Glasscherben einzusammeln. Sie benutzte den Kehrbesen unter der Spüle und als sie damit fertig war, begann sie, die Wände und den Boden von Essensresten zu befreien.
    Ihr war jede Sekunde erneut zum Heulen zumute, doch sie ließ ihren Gefühlen keinen Freiraum. Sie wusste, sollte ihr Papa sie heute noch einmal weinen sehen, würde ihn nichts mehr zurückhalten.
    Nicht heute. Bitte lieber Gott, nicht heute.
    Am Ende widmete sich Emilie dem Abwasch und dem Rest der Küche. Sie würde alles tun, was ihr Papa von ihr verlangte, nur damit er sie in Ruhe ließ. Sie hörte, wie im Wohnzimmer der Fernseher lief und gelegentlich ihr Papa einen Rülpser von sich gab. Er war beschäftigt. Wenn sie Glück hatte, war es heute nur ein schlechter Tag. Alles war besser als ein furchtbarer Tag, alles war besser als diese Tage.
    Nachdem Emilie ihre Pflichten erfüllt hatte und die Küche funkelte, schlich sie sich leise am Wohnzimmer vorbei in ihr Zimmer. Es war klein, besaß nur ein Bett und einen Kleiderschrank, aber es war ihr Reich und mehr wünschte sie sich nicht.
    Emilie schloss die Tür, warf sich aufs Bett und vergrub das Gesicht tief in dem weißen Kopfkissen. Erst jetzt ließ sie ihrer Trauer freien Lauf. Sie weinte viel … und lang. Ihr Schmerz, ihre Trauer und ihre Angst waren gewaltig. Sie waren unendlich.

    Ich konnte es nicht fassen.
    Er hatte tatsächlich seine Familie im Stich gelassen. Welcher Vater tat so etwas? Ich hatte ihm eine vernünftige Chance gegeben, seine Familie zu retten und was tat er? Er floh und versuchte irgendeine Dummheit!
    Oh, Jakob, du enttäuschst mich wirklich.
    Aber egal, davon lasse ich mich nicht beirren. Ich habe bereits geahnt, dass nicht alles nach Plan laufen wird, aber das ausgerechnet du es sein wirst.
    Mein Telefon klingelte. Ich ging ran, ohne auf das Display zu sehen. Es war unwesentlich, wer anrief. Es war wichtig, ansonsten hätte einer meiner Helfer es nicht gewagt, anzurufen. Soviel hatte ich ihnen bereits zu Anfang des Spiels eingebläut.
    »Ja?«, lautete meine kurze Begrüßung.
    »Ich bin’s«, sagte eine mir bekannte Stimme.
    Es handelte sich dabei um meinen »Blutteufel«. Ich hoffte für ihn, dass alles mit dem aufgewärmten Schweineblut glatt gelaufen war.
    »Was willst du?«
    »Wollte nur mitteilen, dass ich alles erledigt hab. Das Blut ist weg und der Kerl hat nichts davon mitbekommen, genauso, wie Sie es wollten.«
    »Gut. Hat dich jemand gesehen?«
    »Nein. Weder beim Auftragen noch

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