760 Minuten Angst
noch nicht.
Die rettende Tür stand weit offen und schien sie regelrecht zu verpönen. Komm schon, Stella. Was stellst du dich so an? Soweit bin ich nun auch nicht entfernt und geöffnet habe ich mich auch schon für dich. Na, komm schon, Stella. Rette dich.
Ja … rette dich. Als ob es so einfach wäre.
Doch was war eigentlich so schwierig daran? Eigentlich musste sie doch nur ein Stück nach dem anderen vorkriechen. Nicht mehr und nicht weniger. Also ganz einfach, oder?
Neuer Mut. Neue Kraft. Beides durchflutete Stellas Körper wie ein Adrenalinstoß und tatsächlich kam die Rettung immer näher, wurde größer und auch … wackliger?
Stella blinzelte mehrmals hintereinander und doch wurde ihre Umgebung nicht deutlicher, sondern verwandelte sich zusehends in eine Welt der halluzinogenen Mittel.
Ihr wurde schlecht.
War das der Anfang? Meldeten sich so die toxinen Stoffe zu Wort? Stand es bereits so schlimm um sie? War nun alles verloren?
Ein fester Stoß brachte Stella zurück in die gefährliche Realität und als sie sich herumdrehte, erkannte sie Katie, die ihr aufmunternd zunickte. Sie verstand ihre Zweifel und Ängste und teilte sie bestimmt auch mit ihr. Dennoch hatte es Katie geschafft, nicht daran zu zerbrechen und Stella würde sich ein Beispiel an ihr nehmen. Sie würde nicht aufgeben. Nicht so kurz vor dem Ziel!
Das Feuer hatte endgültig kritische Ausmaße angenommen und die Wohnung war bis auf wenige Zentimeter oberhalb des Bodens fest vom Rauch eingenommen. Ihre letzten Kraftreserven mobilisierend, senkte Stella ihre Lider, verschloss ihren Mund und versuchte auf keinen Fall durch die Nase zu atmen. Dann raffte sie sich halb auf und rannte los, als wäre der Tod persönlich hinter ihr her. Irgendwie stimmte das ja auch.
Erst als sie den unangenehmen Zusammenstoß mit dem Türrahmen hinter sich brachte, da sie die Richtung falsch eingeschätzt hatte, wagte es Stella, ihre Augen zu öffnen und nach Luft zu ringen. Doch noch immer steckte zu viel Kohlenmonoxyd in ihren Lungen, um ihr das Husten zu nehmen oder den Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.
Doch all das spielte nur eine untergeordnete Rolle. Ihre Gedanken kreisten im ersten Augenblick nur um ihre Freundin und so war es nur verständlich, dass sie wild umherblickend nach ihr Ausschau hielt.
Nach wenigen Sekunden und gefühlten Minuten später tauchte Katie in ihrem Sichtfeld auf, doch sie schien wesentlich mitgenommener zu sein als sie selbst. Sofort kam Stella ihrer Freundin zu Hilfe und hievte sie in eine annähernd senkrechte Position. So schnell es den beiden Frauen möglich war, stiegen sie das Treppenhaus hinab und verschwanden durch die Haustür in die rettende Freiheit.
Sowohl Katie als auch Stella brachen wenige Schritte später zusammen und landeten unsanft auf dem Bürgersteig. Die Explosionen, das Feuer und der Rauch hatten bereits einige Passanten in Schaulustige verwandelt und nur zwei Personen hatten ihr Herz behalten und kamen auf die beiden mitgenommenen Frauen zu.
»Geht … geht es ihnen gut?«, fragte ein junger Mann, dem deutlich der Angstschweiß auf der Stirn stand.
»Natürlich nicht, du Idiot. Siehst du das denn nicht?«, protestierte eine ebenso junge Frau neben ihm. Vermutlich seine Freundin. »Kommen sie etwa aus der Wohnung da oben?«
Sie deutete mit dem linken Arm in Richtung Stellas Wohnung, die tief in Flammen stand. Stella konnte nur nicken, da ihr das Sprechen deutlich schwer viel.
»Ja …«, antwortete sie erst nach einer Weile und versuchte sich währenddessen aufzurichten. Doch mehr als ihren Oberkörper schaffte sie nicht. »Bitte … Sie müssen … meine … Freundin … sie …«
Ihre Stimme versagte erneut.
Stella konnte nur noch entsetzt Katie anstarren, die bewusstlos auf dem Bürgersteig lag. Nichts an ihrem Körper schien mehr am Leben und Stella dachte bereits das Schlimmste.
»Bitte … Sie müssen …«
»Schon dabei, Lady. Beruhigen Sie sich.«
Diesmal war es der junge Mann, der sie ansprach und erst jetzt erkannte Stella, dass die Frau ein wenig abseits stand und mit dem Handy telefonierte.
»Alles wird wieder gut. Meine Freundin kümmert sich gerade um alles. Keine Sorge, alles wird wieder gut.«
Doch obwohl die Worte aufmunternd klingen sollten, zerstörte der besorgte Gesichtsausdruck des Jungen die Wirkung vollständig, vor allem, nachdem er Katie begutachtet hatte. Stella war erneut zum Heulen zumute, doch nicht einmal dazu war sie gerade in der Lage. Zu
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