77 Tage
zu lange gewartet haben? Wenn es wirklich zu spät ist und ich gar nicht mehr schwanger werden kann?
Eine Woche warte ich noch ab.
Dann mache ich den Test.
16.
»Ist er es?«
Als ich in die Wohnung kam, drehte Danner sich auf dem Bürostuhl vom Computer weg zu mir um und begrüßte mich mit dieser vollkommen sinnlosen Frage.
Ich kickte meine Turnschuhe unter die Garderobe: »Wer ist was?«
Danner ließ mich nicht aus den Augen. »Dieser Claudius. Der Typ, der hier dauernd anruft.«
Ich starrte Danner an. Ich konnte Claudius aus der Wohnung jagen, ich konnte das Telefon unter Kissen vergraben, aber dass meine Vergangenheit sich jetzt durch Danners Mund in mein Leben drängelte, das konnte ich nicht länger ignorieren!
»Ist Claudius der Jüngere, für den du mich verlässt?«
Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass Danner in eine ganz andere Richtung gedacht hatte als ich selbst.
Und im gleichen Augenblick konnte ich sie sehen. Die Mauern, die uns trennten. Danners. Und meine eigenen. Ich stand kaum drei Meter von ihm entfernt in unserem gemeinsamen Wohnzimmer und trotzdem waren wir unerreichbar füreinander.
Er ging davon aus, dass ich ihn früher oder später verließ. Und ich selbst tat ja das Gleiche. Wie oft schüttelte ich den Kopf über meine Beziehung zu einem schmuddeligen Schnüffler, die irgendwann mit einem großen Knall enden musste?
Wir planten nicht miteinander. Ich nicht und Danner offensichtlich auch nicht, er hatte sich eben verraten. Wir waren beide Meister im Mauerbau. Und jetzt stand ich mitten im Wohnzimmer vor diesen selbst gebastelten Hindernissen und merkte, dass ich nicht gut genug klettern konnte, um sie zu überwinden. Lange hatte ich meine Einsamkeit nicht mehr so schmerzhaft gespürt.
»Claudius ist mein Bruder«, erklärte ich leichthin, ging endlich zum Sofa und ließ mich auf die Polster fallen. Um Danner nicht ansehen zu müssen, griff ich nach der Fernbedienung des Fernsehers.
»Dein was? «
»Du hast schon verstanden.« Auf der Mattscheibe flammte eine Kuppelshow auf und ich zappte schnell weiter. »Er hat rausgefunden, wo ich bin, und nervt seitdem.«
Danner rollte auf dem Bürostuhl zum Couchtisch, damit ich seinem Blick nicht mehr ausweichen konnte: »Und wann wolltest du mir mitteilen, dass du einen Bruder hast? Wenn der hier vor der Tür steht?«
»Er ist schon wieder weg«, winkte ich ab. Stur starrte ich auf den Fernseher, weil ich die Mauern nicht noch mal sehen wollte. Zu einer Beziehung schien mehr als Sex auf der Motorhaube eines klapprigen Autos zu gehören, begriff ich. Doch mehr als Sex hatte ich nicht gelernt.
»Tu bloß nicht so, als würdest du mir jeden Pups in deinem Leben mitteilen!«, fauchte ich zornig. »Oder hast du mir etwa deine Familie mal vorgestellt?«
Ich war zu weit gegangen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich die Anspannung, die Danners Schultern hochzucken ließ. Mein Puls beschleunigte warnend. Danner ballte die Fäuste, als wollte er mir jeden Moment eine reinhauen.
Ich spürte das Kribbeln des Adrenalins, das meinen Körper in Kampfbereitschaft versetzte. Mein Vater hatte mir beigebracht, die Anzeichen der Gefahr zu erkennen.
Die Wohnzimmerluft knisterte vor Spannung.
Danner fixierte mich zornig – dann drehte er sich wortlos um, stürmte aus der Wohnung und knallte die Tür hinter sich ins Schloss.
Danner und ich lebten zusammen und doch allein. Noch nie hatte ich so deutlich gespürt, dass mir etwas fehlte.
Tag 27
BELLAS BLOG:
MITTWOCH, 16.34 UHR
Kein Ende im Dieter-Desaster. Sina ist am Boden zerstört. Nach wie vor. Dieter denkt nicht daran, zu ihr zurückzukriechen. Schon gar nicht auf Knien. Und mit einem Verlobungsring zwischen den Zähnen. Oder Ähnlichem.
Ich bin im Dauereinsatz deshalb. Rund um die Uhr. Um Sina am Ausführen ihrer Mordpläne zu hindern.
Mario ist nicht sonderlich begeistert davon. Wenn er gegen halb acht nach Hause kommt, soll ich zumindest da sein. Meint er. Wenn ich ihm schon nichts zu essen vorsetze. Wie es die Muttis für ihre Familienernährer zu tun pflegen.
Unter Männern ist es peinlich, wenn die Ehefrau mehr Geld verdient. Und es nicht für nötig hält, ihrem Liebsten Bier und Schnitzel ans Sofa zu servieren. Und ihm nicht die Füße massiert. Wenn er abends die verschwitzten Schuhe auszieht.
Ich glaube nicht daran, dass alle anderen Frauen ihre Männer so verhätscheln. Auch wenn Mario mir das weismachen will.
Aber diese Woche war ich sowieso frühestens gegen elf zu
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