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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Bist du bereit?«
    Lovis nickte und folgte seinem Vater. Das Treppensteigen ging ganz gut, aber es war eine Tortur, bis er im Auto saß. Er schaltete schnell das Radio ein. Irgendein Reggae-Stück lief, Gute-Laune-Musik. Ein krasser Widerspruch zu seinem zerschlagenen Körper und zu dem grauen Kölner Himmel. Dünner Regen fieselte auf die Scheiben. Gustav stellte die Scheibenwischer an, deren eintöniges Quietschen mischte sich mit den Reggae-Klängen. Lovis drehte die Musik lauter, doch Gustav beschwerte sich nicht. Die Straßen waren an diesem Sonntagmorgen nicht nur nass, sondern auch leer. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie vor der Polizeiwache parkten.
    Gustav fragte an der Pforte nach Herrn Sennefeld, der sie wenig später abholte und durch einen langen Gang führte, an dessen Wand Fahndungsfotos hingen. Bald saß Lovis auf einem Stuhl vis-à-vis von Sennefelds Schreibtisch. Er registrierte, dass sich der Polizist beim Rasieren seines schmalen Bartes geschnitten hatte. Nassrasur, folgerte Lovis, mit einem Rasierapparat würde er die Ecken nicht so hinkriegen. Er dachte an seine ersten Rasierversuche und grinste. Auch das tat weh.
    Sennefeld drehte ihm einen Computermonitor zu, rief eine Bilddatei auf und klickte ein Foto nach dem nächsten an. »Sag stopp, wenn du einen erkennst oder ein Foto länger ansehen willst.«
    Lovis betrachtete ein Gesicht nach dem anderen und fragte sich, ob er die Schläger überhaupt wiedererkennen würde. Einer war klein, einer lang und dürr und einer breitschultrig gewesen. Aber ihre Gesichter? Der Kleine hatte einen kaputten Zahn gehabt, der Breitschultrige eine Glatze, der lange Dürre einen irren Blick. War der Dürre nicht auch ein Glatzenträger? Oder hatte er die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden? Wie sollte er sich an mehr erinnern? Es war alles rasend schnell gegangen. Also schüttelte er immer wieder den Kopf, bis Sennefeld die Datei schloss und seufzte.
    Â»Kein Einziger?«, fragte er.
    Lovis zuckte mit den Schultern. Bei einem Foto war er nicht sicher. Das konnte der Kleine gewesen sein. Aber der Typ hatte keine Zahnlücke. Gut, die konnte sich der Kleine nach der Aufnahme des Fotos eingefangen haben. Bei einer Schlägerei oder einem Sturz. Außerdem stimmten die Augen nicht. Oder doch? Er wollte doch keinen verdächtigen, der es nicht gewesen war.
    Â»Dann beschreib uns die drei noch einmal ganz genau!«, hakte der Polizist nach.
    Lovis bat um ein Blatt Papier und schrieb alles auf, an was er sich erinnerte. Genau! Der protzige Ring des Dürren fiel ihm ein und das Drachen-Tattoo am Oberarm des Breitschultrigen. Und der Kleine hatte furchtbar nach Bier gestunken.
    Â»Und jetzt noch mal zu dem Mädchen«, machte Sennefeld weiter, nachdem Lovis ihm das Blatt gereicht hatte.
    Das Mädchen! Lovis sah ihre grünen Augen in dem vor Anstrengung roten Gesicht, als sie ihn auf den Bahnsteig zog.
    Â»Sie war da, als du auf den Bahnsteig kamst, ist verschwunden, als die Schläger aufgetaucht sind, hat dich dann aber von den Gleisen gezogen.«
    Ein irres Grün, ein Meer-, Zauber-, Diamant-, Schlangengrün. Er hatte sich immer vorgestellt, dass die Elben aus dem »Herr der Ringe« eine solche Augenfarbe hatten.
    Â»Lovis?« Herr Sennefeld beugte sich zu ihm hinüber.
    Da war ein Betonpfeiler auf dem Bahnsteig, schrieb Lovis auf. Vielleicht hat sie sich da versteckt?
    Sennefeld nahm das Blatt entgegen. »Und du bist sicher, dass sie keinen Kontakt mit den Schlägern hatte?«
    Lovis nickte.
    Sennefeld tippte Lovis’ Aussagen in den Computer, schickte den Text zum Drucker und legte ihn Lovis zum Gegenlesen vor. »Durchaus möglich, dass dir in den nächsten Tagen noch mehr zu den Typen einfällt. Dann melde dich bitte bei mir.« Er schob eine Visitenkarte über den Tisch und schüttelte Lovis zum Abschied die Hand.
    Lovis war froh, dass die Sache so schnell erledigt war, aber leider plusterte sich Gustav jetzt auf.
    Â»Und wie gehen Sie weiter vor?«, wollte er wissen. »Was ist mit Phantombildern? Mein Junge hätte tot sein können. Für mich war das eindeutig versuchter Mord …«
    Lovis stellte die Ohren auf Durchzug. Er wollte hier raus und zwar so schnell wie möglich. Aber wenn Gustav so richtig in Fahrt kam, fand er kein Ende mehr. Lovis hatte nicht die geringste Lust, sich all das anzuhören, was laut Gustav noch hätte

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