80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
gekocht.
»Ich habe mal eine Zeit lang in Genua gewohnt«, erklärte sie. »Bei einem Grafen, der eine Schwäche für meine Art der Bestrafung hatte. Zwischen unseren Sitzungen hat er mir italienisch kochen beigebracht. Die ligurische Küche hat ganz spezielle Eigenheiten. Man verwendet dort viel Knoblauch. Es hat dir hoffentlich nichts ausgemacht, dass er so reichlich im Pesto war?«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Dominik. »Obwohl wir in den nächsten Stunden anderen Leuten lieber aus dem Weg gehen sollten. Sie könnten sich abgestoßen fühlen, wahrscheinlich haben wir noch aus einem Kilometer Abstand eine Knoblauchfahne.« Dominik hatte immer noch den Geschmack auf den Lippen und leckte sie sich erneut.
»Zur Hölle mit anderen Leuten«, rief Lauralynn. »Ich bin Menschen, die keinen Knoblauch mögen, schon immer mit größter Skepsis begegnet.«
»Zuerst war es also das Reiten, und dann kam das Cello. Oder anders herum?«
»Eigentlich fast gleichzeitig«, antwortete sie. »Nachdem man uns nach Long Island verpflanzt hatte. Meine Eltern waren große Musikliebhaber. Sie haben allerdings nie selbst ein Instrument gelernt, sondern nur im Kirchenchor gesungen. Sie hatten wunderbare Stimmen, alle beide. Anfangs war ich nicht gerade begeistert. Ich hatte Klavierunterricht, obwohl ich mehr schlecht als recht herumgeklimpert habe, und habe noch ein paar andere Instrumente ausprobiert. Aber schließlich habe ich dann gefunden, was mir am meisten entspricht. Hat der Klang eines Cellos nicht etwas wunderbar Sinnliches?«
»Ich stehe mehr auf Geige, wie du weißt.« Er grinste sie an. »Ihr Klang kann ungeheuer rein sein. Nicht so verrucht wie ein Cello.«
»Verrucht ist gut«, meinte Lauralynn.
»Klar, dass du das sagst.«
»Und es gibt einer Frau ein unbeschreibliches Gefühl, das Instrument zwischen den Schenkeln zu halten, das Holz auf der Haut zu spüren und ihm Klänge zu entlocken, die ihr durch und durch gehen, als wäre sie der wahre Resonanzkörper.«
Dominik konnte nach der üppigen Mahlzeit, die Lauralynn zubereitet hatte, nur noch mit Mühe die Augen offen halten, zumal ihm die Hitze des Nachmittags zu schaffen machte.
»Sollen wir eine CD auflegen?«, schlug er vor.
»Nein«, sagte Lauralynn. »Ich habe diese Woche frei und möchte keinen einzigen Ton hören.«
»Aber sonst schlafe ich womöglich noch ein«, gab er zu bedenken.
»Dann sollten wir joggen gehen.«
»Bei dieser Hitze?«, wandte er ein.
»Warum nicht?«
»Ich mache ja vieles, aber Joggen gehört nicht dazu.«
»Du meine Güte, dann gehen wir eben spazieren, hübsch langsam, also gerade richtig für einen alten Mann wie dich.«
»Das könnte ich gerade noch schaffen.«
Lauralynn strahlte ihn an. »Nein. Ich habe eine bessere Idee. Warum fahren wir nicht an den Strand?«
»Und wohin?«
»Warst du schon mal in Atlantic City und hast dir die Strandpromenade angesehen? Es gibt dort, glaube ich, auch einen Badestrand.«
»Nein, da war ich noch nie.«
»Ich auch nicht. Also nichts wie hin«, sagte sie resolut. »Geht der Zug dorthin von der Penn Station oder vom Grand Central? Oder gibt’s vielleicht sogar eine U-Bahn?«
»Das haben wir gleich.« Dominik klappte sein Laptop auf und loggte sich ein.
»Das ist ja fast wie bei einem Rendezvous«, meinte sie.
»Ich komme mir vor wie im Kino«, sagte Dominik.
Vor ihnen erstreckte sich die hölzerne Strandpromenade von Atlantic City, ein langer, beigebrauner Streifen, so weit das Auge reichte, an der einen Seite gesäumt vom Meer, an der anderen begrenzt von einer bunten Parade abwechslungsreich gestalteter Gebäude. Es war immer noch Nachmittag, und an den großen Hotels blinkten noch keine Neonlichter.
»Jetzt möchte ich ein Eis«, sagte Lauralynn zu Dominik.
»Vielleicht lieber gefrorenen Senf?«, fragte er mit Blick auf die vielen Geschmacksvarianten, die an den Hauswänden der unzähligen Cafés und Speiselokale entlang der Promenade angepriesen wurden.
»Auf keinen Fall. Das wäre für mich die Hölle. Heute möchte ich ein Stück vom Himmel.« Sie kicherte wie ein kleines Mädchen.
»Wir können später auch noch zum Steel Pier gehen und vielleicht Karussell fahren«, schlug er vor.
»Mal sehen …« Sie schlenderte zum nächstgelegenen Café und studierte die Liste der angebotenen Eissorten. Um sie herum schwirrten Scharen schlecht gekleideter Wochenendurlauber und Touristen, und eine Gruppe Ausflügler mit Kindern in pastellfarbenen Outfits sauste auf Tretrollern
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