9 - Die Wiederkehr: Thriller
Flüssigkeit, die möglicherweise Kaffee war. »Ich werde mir den Kerl bald mal vorknöpfen müssen.«
»Ich …« Aarón räusperte sich. »Ich war zum ersten Mal in der dritten Klasse hier. Ein Schulausflug.« Er schlug die Beine übereinander und stieß mit dem Fuß gegen ein Tischbein. »Machen Sie das heute auch noch?«
»Ach was!«, rief Isaac. Die Absurdität des Gedankens ließ ihn mit der Zunge schnalzen. »Das war die Idee meiner Mutter, Gott hab sie selig. Bis zu ihrem Tod fuhr sie jede Woche nach Arenas, um das Grab meines Vaters zu besuchen. Trotz allem, was passiert ist, hat sie die Stadt immer in guter Erinnerung behalten. Eine Heilige, meine Mutter. Sie war schon ziemlich alt. Hatte ihre helle Freude daran, die Schulkinder zu sehen. Als sie gestorben ist, hab ich den Zirkus aber ganz schnell beendet. Meine drei sind schon mehr Kinder, als ich in meiner Nähe ertragen kann. Ich schenk dir eins, wenn du willst.« Aarón wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Ehrlich, such dir eins aus.« Er zweifelte, ob er überhaupt etwas dazu sagen sollte. »Ich meine es ernst.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Aarón wandte den Blick ab. Angrenzend an den Raum, in dem er mit Canal saß, entdeckte er eine weitere Halle, die offenbar als Lagerraum für alte Maschinen diente.
»Dieser Teil der Fabrik wird nicht mehr genutzt«, erklärte Isaac. »Irgendwann ist die Decke eingestürzt.« Er zeigte mit beiden Daumen Richtung Decke. »Dabei ist ein junger Kerl draufgegangen. Er hatte gerade seinen zweiten Arbeitstag bei uns.« Er schlug mit der Handfläche auf den Tisch. Ein paar Zeiger hüpften aus der Stecknadelbox. »Hinterließ eine Frau und zwei Kinder. Ein Jammer. Für die Frau, versteht sich. Mir war’s egal, nachdem ich erst mal den ganzen Papierkram hinter mir hatte. Für etwas sind sie doch gut, diese Anwälte. Jetzt ist das Werk im Seitenflügel untergebracht. Das ist sowieso viel besser. Ein bisschen mehr Distanz zu den Kuckucks kommt mir ganz gelegen.«
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte in die Ferne, als säßen sie in einer heimeligen Berghütte.
»Ich nenne sie so, weil sie immer pünktlich auf die Sekunde Feierabend machen. Am schlimmsten sind die Leute aus Arenas. Keine Ahnung, wahrscheinlich haben sie es eilig, in ihren See zu springen. Seid ihr wirklich so stolz auf diese Pfütze?«
Wieder wusste Aarón nicht, was er darauf sagen sollte. Schließlich beugte er sich vor und stellte die Ellbogen auf den Tisch, das Kinn auf beide Daumen gestützt. Von hier konnte er den säuerlichen Schweißgeruch wahrnehmen, der von Isaac ausging.
»Vor ein paar Wochen wurde ein Freund von mir angeschossen«, kam Aarón zur Sache. »Und zwar an dem gleichen Ort, an dem auch Ihr Vater und Ihr Großvater … also, wo sie …«
»Wo sie ermordet wurden. Und weiter?« Er nahm einen letzten Schluck aus dem Plastikbecher und warf ihn in den Papierkorb. Ein paar braune Spritzer landeten dabei auf seinem weißen Hemd.
»Der Überfall ereignete sich an derselben Stelle im selben Raum. Mittlerweile ist es eine Tankstelle, so eine mit angeschlossenem Shop, Sie wissen schon …« Aarón kratzte sich am Hals. Der Bart ging ihm langsam auf die Nerven. »Der Inhaber ist ein Amerikaner, der …«
»Ich weiß, wer er ist. Und ich weiß auch, was passiert ist«, fiel ihm Isaac ins Wort. »Ich habe dir doch gesagt, dass hier viele Leute aus Arenas kommen. Sie haben natürlich darüber geredet. Dieses Kaff ist der reinste Wahnsinn. Aber die Leute sind jedes Mal wieder überrascht und weiterhin sehr hartnäckig im Vergessen. Der Fluch der Canals, so haben sie es damals genannt. Als man dann den Nächsten in der Tankstelle umgebracht hat, haben sie hoffentlich damit aufgehört. Denn es wurde ja noch einer erschossen, wie du wahrscheinlich weißt.«
»Ja, in den Siebzigern. Und jetzt hat es David erwischt, meinen Freund.« Er rieb sich kräftig die Augen. »Das heißt, er ist nicht gestorben. Er liegt noch in der Uniklinik im Koma.«
Aarón hielt inne und wartete auf eine Beileidsbekundung. Isaac hüllte sich in Schweigen.
»Es kommt mir komisch vor, dass viermal das Gleiche passiert, und das an ein und demselben Ort.«
»Weißt du, Junge, ich will nicht mehr darüber nachdenken. Das Thema ist für mich erledigt. Die Sache mit meinem Vater war traumatisch. Eine Schande. Eine verdammte Riesensauerei. Meine Mutter hat den Laden verkauft, und wir kehrten diesem Scheißkaff ein für alle Mal den
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