9 SCIENCE FICTION-STORIES
zweifelhaften Ruf genießt, an Bord das populärste Mordopfer zu sein. Diesmal aber war der Captain »der-Mann-den-man-liebend-gern-umbringen-möchte«.
Hatte der Koch nicht Kummer genug mit den chemischen und psychischen Aufgaben seines Amtes, so sorgte Winkelmann für Ausgleich. Captain Willi Winkelmann war einer von denen, die, wenn sie schon ins Weltall hinaus mußten, am besten allein gehen sollten. Hätten die Preußen über ein Marinekorps verfügt, wäre Winkelmann im Nu der berüchtigtste Schleifer gewesen. Sein Herz klirrte eisig wie ein Stahlsplitter, seine Stimme troff vor ätzendem Sarkasmus. Der Planet Erde war kaum groß genug, um eine so lästige Wanze wie Willi Winkelmann zu beherbergen. Tag für Tag zusammengepfercht mit uns in einem stromlinienförmigen Gehäuse von der Größe eines Pullmanwagens, entpuppte sich unser Captain sehr rasch als Ekel. Des Captains erklärtes Opfer war – wie könnte es auch anders sein? – Morgan, der Koch. Winkelmann bewies gleich zu Anfang seine Findigkeit; kaum erblickte er die Eintragung »Morgan, Peter« im Heuervertrag, wußte er sie auch schon humoristisch auszuwerten: sofort taufte er unseren unglückseligen Schiffskameraden »Magenbitter« … Winkelmann war es, der über die hohe Kunst des Kochens und über die Vorzüge von edlen Weinen sprach, während wir unsere »Algaeburger« kauten und Kaffee schlürften, der nach Nutzwasser schmeckte. Und Captain Willi Winkelmann war es, der, bezog er sich auf das Allerheiligste des Schiffes, nur das Wort »Gulaschkanone« gebrauchte.
Morgan gab sich alle Mühe, uns nach ebenerdigen Standards zu verköstigen. Er übertünchte den Geschmack synthetischen Methionins – einer Aminosäure, nicht künstlich hergestellt aus Chlorella –, indem er unsere Algengerichte mit Prisen von Origano und Thymian würzte. Auch färbte er die blaßgrünen Chlorella-Brocken rosa, knetete die Algenmasse zur Festigkeit von »Hamburgers« und röstete die Fladen auf ein delikates Braun, in dem sinnlosen, aber von Verzweiflung getriebenen Unterfangen, daraus Pseudofleisch zu machen. Zum Nachtisch servierte er dann eine Bäckerei, hergestellt aus der Traubenzuckerpaste des Kohlehydrat-Rezyklors. Die Mannschaft dankte ihm. Der Captain nicht. »Magenbitter«, sagte er, sein Ton frostig wie herbstlicher Wind auf der Nordsee, »Sie täten besser daran, dieses Zeug wieder durch die Tanks laufen zu lassen. In meiner Heimat gibt es das Wortspiel: ›Der Mensch ist, was er ißt‹. Ich halte es für eine Unverschämtheit, mir zuzumuten, ich solle dieser Saufraß werden, den Sie mir da vorsetzen.« Captain Winkelmann wischte sich mit der Serviette übers Kinn, hievte seinen Wanst vom Stuhl und kletterte die Leiter hinauf.
»Doc, können Sie Winkelmann leiden?« fragte mich der Koch.
»Nicht besonders«, sagte ich. »Das schönste Geschenk, das der Captain seiner alten Dame machen kann, ist es wohl, sie am Muttertag allein zu lassen. Aber was hilft’s, wir sind auf ihn angewiesen. Schließlich weiß er mit einem Schiff umzuspringen.«
»Ich wünschte, auch mit einem Koch«, sagte Morgan. »Das fette Schwein!«
»Seine Leibesfülle ist als unbewußtes Kompliment für Ihre Kochkunst zu werten, Morgan«, erwiderte ich. »Er zeigt großen Appetit. Wie wir alle. Ich habe schon an Bord vieler Raumer gegessen und kann jederzeit bezeugen, daß Sie eine unübertroffene Küche führen.«
Morgan fischte eine Handvoll getrockneter Chlorella aus einem Bottich und streckte mir das Zeug entgegen. Es war grün, roch nach Pfuhl und sah appetitanregend aus wie ein Dekubitus. »Mit so etwas muß ich arbeiten«, sagte er verächtlich. Er
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