90 Tage auf Bewaehrung
Abschnitten von 20 Sekunden ab - so wie eine Kuh mit ihrem Schwanz die Fliegen wegschlägt. War das eklig.
Mein Liebster schwitzte natürlich so gut wie gar nicht. Also schon, aber sehr angenehm. Und in sein Handtuch. Ich zuckte kurz und heftig zusammen, als ich seine Hand aus Versehen auf meiner Schulter spürte. Huch, jetzt streichelte mich seine Hand. Kein Versehen. Pure Absicht! Ich schwitzte doch! Das schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Jetzt sollte ich vielleicht auch mal als Zeichen meiner Liebe irgendeinen Körperteil von ihm berühren …
Ich entschied mich für sein Knie. Zum Glück waren dann zehn Minuten um, und wir verließen die Sauna und den schwitzenden Dicken. Aber, wissen Sie was? Nach diesem ersten Saunagang war alles anders: Ich fühlte mich plötzlich und irgendwie viel freier. Mir war es wurscht, dass es Beulen gab, wenn ich den Bauch einzog, dass er schwitzte, dass ich schwitzte, dass wir gemeinsam schwitzten. Nach der Dusche kuschelten wir uns in die Bademäntel, tranken Fruchtsaft, lasen Zeitung und genossen uns und unseren
ersten kleinen Urlaub. Keine Katastrophe am Horizont. Im Gegenteil - Einigkeit in allem. Wir lästerten über die anderen Hotelgäste, gaben ihnen Namen, dachten uns Geschichten zu ihnen aus, hielten Händchen, knutschten und waren einfach nur verliebt. Die drei Tage waren wunderschön.
Am zweiten Morgen machte ich mein Handy mal kurz an, entdeckte fünf Panik-SMSen von meinen Freunden und antwortete in einer Rundmail an alle: »Hurra, wir leben noch! Ich liebe euch auch.«
Schatz, was gibt’s zum Nachtisch?
Während meiner Single-Zeit war ich immer neidisch auf Paare, die am Samstagvormittag gemeinsam einkaufen gehen. Hübsch angezogen, sie den Einkaufzettel, er das Körbchen in der Hand, zwischendurch Küsschen und dann das wortlose Verständnis über die Wahl des Käses, des Weins und den sonstigen Inhalt des Kühlschranks. Das war für mich Gemütlichkeit und Zusammengehörigkeitsgefühl pur. Draußen in der Welt auf Beutefang gehen, um sich gemeinsam die Nahrung ins kuschelige Nest zu schleppen. Zusammen auf die Couch fläzen, sie mit Chips und Brot voll krümeln, mit Günter Jauchs Kandidaten fiebern und gemeinsam dick werden!
Gemeinsam dick werden? Genau an dieser Stelle fing meine Phantasie an, mich zu beunruhigen. Wie spießig, im Grunde genommen. Wie meine Eltern! Wie die Eltern meiner Eltern! Wie schrecklich. Muss das denn immer so sein? Werden aus zwei verliebten, wilden, gefühlvollen Individualisten irgendwann zwangsläufig Mutti und Vati, nur weil sie einen gemeinsamen Kühlschrank haben? Ich erwarte von meiner Beziehung ständige Attraktivität und ein geklärtes Mann-und-Frau-Dasein auf einem extrem hohen Niveau. (Mann, Mann, Mann, bin ich behämmert!)
Sabrinas Ex hat das übrigens genauso gesehen - für ihn gab es ein sehr geklärtes Mann-und-Frau-Dasein. Er schleppte die Beute an, und sie - musste bügeln, putzen, waschen,
aufräumen, seine Kinder versorgen und ihm nebenbei noch ein bisschen Spaß bereiten. Davon, dass er sich von ihr auch noch Kostgeld geben ließ, will ich mal gar nicht reden. Ich habe ihn nie geschätzt. Und er hieß Manuel - das musste ich jetzt öffentlich machen.
Sabrina hat daraus gelernt und glaubt jetzt fest an die Sachen mit dem kleinen Finger und der ganzen Hand. »Schätzchen, klar kannst du ihm mal ein Hemd bügeln. Aber pass auf, dass daraus nicht sofort der ganze Kleiderschrank wird. Aus dieser Nummer kommst du sonst nie wieder raus.«
Uns passiert das natürlich nie. Wir sind ja so emanzipiert. Mein Liebster gibt seine Hemden in die Wäscherei, und ich esse außer Haus!
Deshalb war ich etwas irritiert, hielt es aber durchaus für ein hübsches Experiment, als er samstags morgens mit folgender Nachricht um die Ecke bog: »Schatz, ich habe ein paar Leute zum Angrillen eingeladen. Lass uns mal einkaufen gehen!«
Völlig unbelastet und neugierig auf diese neue gemeinsame Erfahrung (jedenfalls ich, er wollte, glaube ich, wirklich nur einkaufen gehen!) fuhren wir zum Supermarkt. Nachdem wir aus dem Auto gestiegen waren, hätte jeder Soziologieprofessor seine helle Freude an uns und unserem Verhalten gehabt. Wir waren die geborenen Testemonials - genetisch festgetackert über Generationen, Marionetten an gesellschaftlichen Fäden, wie Mama und Papa, zogen wir los. Jeder einen leeren Einkaufswagen. Er Richtung Getränke, ich von Geburt an zuständig für Gemüse, Salat und Saucen. Am Fleisch trafen wir uns
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