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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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Luft, von wo er es in seine Sphäre verschwinden ließ. Nach einer halben Minute seiner (also einer halben Sekunde ihrer) Zeit gab er es ihr mit seiner Antwort zurück. Er hatte ihr gegenüber den Vorteil, daß er in der für sie langsameren Zeit mehr Gelegenheit hatte, sich eine Antwort auszudenken, aber sie besaß mehr natürlichen Scharfsinn als er und war schwer zu übertreffen. Sie spielten auch Dame, und er mußte sich oft zurückziehen, um zwischen zwei Zügen ein Kapitel aus dem Lehrbuch zu studieren; trotzdem schlug sie ihn häufig. Denn ein natürliches Talent wird einem zusammengesuchten Wissen und einem festgelegten Verfahren meistens überlegen sein.
    Auch Milly brach er auf seine Weise die Treue, denn neuerdings interessierte er sich – Verliebtheit oder Bezauberung empfand er nicht mehr – für eine gewisse Mrs. Roberts, Urgroßmutter und wenigstens fünfzig Jahre älter als er. Er hatte die sexualmedizinische Literatur über Gerontophilie (die Anziehungskraft des Alters auf junge Menschen) durchstudiert, aber er konnte sich trotzdem die Abfolge seiner Gefühlsbindungen nicht erklären. Er kam zu dem Schluß, daß diese drei Beispiele genügten, um ein Naturgesetz aufzustellen: daß Frauen einfach keine Angst vor Geistern haben, auch wenn der Geist sie berührt und ihnen händelos Briefe schreibt. Es ist möglich, daß verliebte Geister das schon längst erkannt haben, Charles Vincent jedoch machte diese Entdeckung unabhängig und von sich aus.
    Wenn man über ein bestimmtes Gebiet genügend Wissen angesammelt hat, so tritt manchmal das Grundmuster plötzlich und von selbst hervor, wie ein Bild, das an einer Stelle erscheint, wo es vorher nicht zu sehen war. Und wenn jemand über alle möglichen Gebiete genügend Wissen angesammelt hat – besteht da nicht die Möglichkeit, daß sich ihm urplötzlich der Plan enthüllt, der alle Dinge beherrscht?
    Es erwischte Charles Vincent in einem Zustand letzter Begeisterung. Gegen Ende einer langen durchwachten Nacht, in der er einen Quellentext nach dem anderen zu Rate gezogen und die Ergebnisse im Geiste geordnet hatte, schien das Grundmuster hervorzutreten, in simpler, überwältigender Klarheit, trotz aller Komplexität im Detail.
    »Ich weiß jetzt, daß ich alles weiß, was Jene vom Pfuhl wissen«, rief er aus, »und ich besitze ein Geheimnis, das sie nicht haben. Ich habe das Rennen nicht verloren – ich habe es gewonnen. Ich kann sie an dem Punkt schlagen, wo sie sich für unverwundbar halten. Wenn wir nach dem Tode überhaupt beherrscht werden müssen, so brauchen wir uns wenigstens nicht von Denen beherrschen zu lassen. Jetzt fugt sich alles ineinander. Ich habe die letzte Wahrheit gefunden, und sie haben das Rennen verloren, nicht ich. Jetzt kann ich die Vorteile genießen, ohne den letzten Preis der Vernichtung zahlen zu müssen oder mich mit Jenen zu verbinden.
    Nun brauche ich nur noch mein Wissen wirksam werden zu lassen und die Fakten zu veröffentlichen, und wenigstens ein großer Schatten wird von der Menschheit genommen sein. Ich werde es sofort tun. Nein, beinah sofort. In der Normalwelt ist die Morgendämmerung nahe. Ich will nur noch eine ganz kleine Weile hier sitzenbleiben und mich ausruhen. Dann will ich ausgehen und Kontakt mit den richtigen Leuten aufnehmen, um diese Sache in Gang zu bringen. Aber erst will ich eine kleine Weile hier sitzenbleiben und mich erholen.«
    Und er starb ganz still in seinem Stuhl, so wie er da saß.
    Dr. Mason machte folgende Eintragung in sein privates Tagebuch:
    Charles Vincent, ein vollständig belegter Fall von vorzeitiger Senilität, einer der klarsten Fälle in der gesamten bisherigen Gerontologie. Ich kannte diesen Mann viele Jahre lang und stelle hier fest, daß er sich noch vor einem Jahr äußerlich und gesundheitlich in durchaus normalem Zustand befand, und daß seine Chronologie ebenfalls korrekt ist (ich habe noch seinen Vater gekannt). Ich untersuchte den Patienten laufend während seiner Krankheit, und es bestehen keine Zweifel an seiner Identität, die für diesen Bericht übrigens auch durch Fingerabdrücke und andere Mittel etabliert wurde. Ich stelle fest, daß Charles Vincent im Alter von einunddreißig Jahren an Altersschwäche gestorben ist und zuletzt das Aussehen und die Physis eines Neunzigjährigen hatte.
    Der Doktor notierte dann weiter:
    Wie in zwei ähnlichen Fällen, die ich selbst unter den Händen hatte, war die Krankheit von Halluzinationen und einer Reihe von Träumen

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