900 Großmütter Band 1
Unterricht beiwohnen«, sagte unser Mr. Piper. »Wir würden auch gerne mit den Lehrern und Schülern sprechen. Wir sind hier, um unser Erziehungssystem mit dem Ihren zu vergleichen.«
»Das kann man nicht miteinander vergleichen«, sagte Philoxenus, »das soll aber keine Beleidigung sein. Oder höchstens ein kleines bißchen. Auf dem Camiroi praktizieren wir Erziehung. Sie auf der Erde spielen eine Art Spiel, aber Sie nennen es bei demselben Namen. Das gibt nur Konfusion. Kommen Sie. Wir wollen in eine Schule gehen und uns den Unterricht ansehen.«
»Aber in eine öffentliche Schule«, sagte Miss Smice mißtrauisch. »Schieben Sie uns nicht eine hochgestochene Privatschule als typisch unter.«
»Das wäre sehr schwierig«, sagte Philoxenus. »Es gibt gar keine öffentlichen Schulen in Camiroi City, und auf dem ganzen Planeten nur zwei. Nur ein kleiner Bruchteil eines Prozents der camiroitischen Schüler besucht eine öffentliche Schule. Wir sind der Meinung, daß die meisten Kinder ebensowenig in einer öffentlichen Schule erzogen wie in ein staatliches Waisenhaus gesteckt werden müssen. Wir sind uns natürlich darüber klar, daß Sie auf der Erde aus der öffentlichen Schule einen heiligen Büffel gemacht haben.«
»Heilige Kuh«, sagte unser Mr. Piper.
»Kinder und Erdlinge muß man korrigieren, wenn sie Wörter falsch gebrauchen«, sagte Philoxenus. »Wie sollen sie sonst lernen, sich auszudrücken? Das Tier, das die Orientalen Ihres Planeten heilig hielten, gehörte eher zur Spezies bos bubalus als zu bos bos und war somit eher ein Büffel als eine Kuh. Wollen wir also in eine Schule gehen?«
»Wenn schon keine öffentliche Schule, dann wenigstens eine typische Schule«, sagte Miss Smice.
»Auch das ist unmöglich«, sagte Philoxenus. »Jede Schule auf dem Camiroi ist in gewissem Sinne atypisch.«
Wir besuchten also eine atypische Schule.
Z WISCHENFALL : Unser erster Kontakt mit den Schülern des Planeten Camiroi war sehr heftig. Einer der Schüler, ein lebhafter kleiner Knabe von acht bis zehn Jahren, rannte Miss Much um und zerbrach ihre Brille. Dann plapperte er etwas in einer unbekannten Sprache.
»Ist das Camiroitisch?« fragte Mr. Piper interessiert. »Nach allem, was ich höre, glaubte ich, daß diese Sprache härter und voller klingt.«
»Sie wollen sagen, Sie erkennen die Sprache nicht?« fragte Philoxenus amüsiert. »Das ist aber ein drolliges Eingeständnis für einen Pädagogen! Der Junge ist noch klein und sehr unwissend. Als er sah, daß Sie Erdlinge sind, sprach er Hindi, eine Sprache, die von mehr Erdlingen gesprochen wird als irgendeine andere. Nein, nein, Xypete, sie gehören zur englischsprechenden Minderheit. Du kannst das an ihrer farblosen Haut und an den schmalen Köpfen erkennen.«
»Hör mal, du hast aber sehr langsame Reaktionen, Lady«, erklärte der kleine Xypete; »sogar Untermenschen müßten eigentlich schneller reagieren. Du stehst einfach da und glotzest und läßt dich umrennen. Soll ich dich mal analysieren und sehen, warum du so langsame Reaktionen hast?«
»Nein! Nein!«
»Anscheinend hat dir das Hinfallen strukturell nicht geschadet«, fuhr der Kleine fort, »aber wenn was kaputt ist, muß ich es in Ordnung bringen. Zieh dein Kleid aus, ich werde dich untersuchen, ob du noch ganz bist.«
»Nein! Nein! Nein!«
»Das geht schon in Ordnung«, sagte Philoxenus, »alle Camiroi-Kinder lernen in der Anfangs-Klasse medizinische Erste Hilfe – Knochenbrüche einrichten, Gehirnerschütterungen behandeln, und dergleichen.«
»Nein! Nein! Es ist schon gut! Er hat nur meine Brille kaputtgemacht.«
»Komm mit, Erden-Lady! Ich mach dir eine neue«, sagte der kleine Junge. »Verzögerte Reaktionen – und noch dazu schlecht sehen – das ist bestimmt nicht gut. Soll ich dir lieber Kontaktlinsen einsetzen?«
»Nein. Ich will ebensolche Gläser wie die zerbrochenen. Himmel, was soll ich bloß machen?«
»Du kommst mit, ich mache«, sagte der Junge. Es war recht aufschlußreich für uns, daß der Kleine imstande war, Miss Muchs Augen zu prüfen, die Gläser zu schleifen, das Gestell zu bauen und so Miss Much innerhalb von drei Minuten mit einer neuen Brille zu versehen.
»Ich mache sie etwas besser als deine alten«, sagte der Junge, »so kompensieren wir deine lange Reaktionszeit.«
»Sind hier alle Schüler so begabt?« fragte Mr. Piper. Er war beeindruckt.
»Nein. Xypete ist über dem Durchschnitt«, sagte Philoxenus. »Die meisten Schüler können frühestens
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