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Stapel gelassen?«
Pia zuckte mit den Schultern. Sie war nicht recht bei der Sache und Jana gegenüber recht einsilbig. Sie wusste nicht, was ihre Freundin sagen würde, wenn sie von irgendwem erfuhr, dass sie sich gestern mit Sören getroffen hatte. Obwohl Jana sie gewarnt hatte.
Ich kann aber tun und lassen, was ich will, dachte Pia. Muss ja nicht immer das machen, was Jana tun würde.
»Ich dachte, du bist mehr an der Sache interessiert.« Jana drehte sich ab.
»Bin ich doch auch. Warte!«, rief Pia, aber Jana war schon zu Susanne gegangen.
Pias Blick glitt über den Schulhof. Sören stand mit Philipp in der Ecke. Sie redeten. Hin und wieder schaute er herüber. Pia fühlte noch immer die Stelle, an der er ihr die Augen zugehalten hatte. Ihre Haut glühte und brannte.
°°°
Pias Vater war nicht zu Hause, als Pia den Schulrucksack in die Ecke pfefferte und in die Küche sauste. Aber auch Mama war noch nicht zurück. Sie bereitete sich gerade auf ihren ersten Arbeitstag vor. Morgen sollte es losgehen. Auf dem Tisch lag ein Zettel.
»Papa hat heute einen Termin in der Kanzlei von Dr. Tackenberg (Pferd)«, stand darauf. Ivonne hieß also Tackenberg und Pias Vater blieb dran. Hoffentlich lohnte sich der Aufwand. Bislang hatten sie sich alle auf Janas Aussage verlassen, Njala sei ein liebes, wenn auch verwahrlostes Pferd, wobei Pia das »verwahrlost« in der Nähe von Pias Vater immer sehr genuschelt hatte. Aber es würde ihr nichts nützen. Wenn Njala nun nicht so lieb wäre, gäbe es Probleme. Da war Papa hart.
Die Tür klapperte. Pias Vater trat in die Küche.
»Und?«, stürzte Pia auf ihn zu.
»Also: Wir fahren nachher dorthin und sehen uns das Tier an. Sie ist nicht so lammfromm, wie Jana es gesagt hat. Herr Dr. Tackenberg bezeichnete sie eher als Biest.«
»Papa, das kommt doch nur, weil Ivonne keine Ahnung von Pferden hat. Das spüren sie und schon ist es passiert.«
»Pia, ich kenne da keine Kompromisse. Du weißt, dass ich nur ein Pferd zulasse, das ungefährlich ist. Ist das klar?«
Pia sprach ein Stoßgebet, in der Hoffnung, dass Njala sich heute einfach gut benehmen würde. Denn dass sie die Stute nicht mögen könnte, stellte Pia gar nicht erst in Frage.
»Wir holen Herrn Ommen um drei Uhr ab. Und jetzt will ich essen.«
Pia schrieb aber Jana noch rasch eine SMS. Und Sören. Sie dachte, dass es ihn vielleicht interessierte.
°°°
Es war nicht weit bis zu dem Gehöft, auf dem Ivonne lebte. Ihre Eltern hatten einen alten Gulfhof komplett modernisiert und zurechtgemacht. Es sah klasse aus mit der weißen Kiesauffahrt, den akkurat abgesteckten Wegen und Beeten und den weißgetünchten Zäunen. Aber es fehlte das Leben.
»Ivonne stammt aus Berlin. Sie ist vor vier Jahren hierhergezogen«, erklärte Pia. Sie hatte Jana erst einmal über ihre Cousine ausgefragt.
Sie stiegen aus und klingelten an der Haustür. Es war mehr ein Portal mit vielen Scheiben, die so blankgeputzt waren, als würde sich jede Stunde eine fleißige Hand daran machen, sie zu wienern. Ihnen wurde von einem schlanken Mann im Alter von Pias Vater geöffnet.
»Herr Dr. Tackenberg?«, fragte Pias Vater.
»Ja! Ich nehme an, Herr Dormann. Sie kommen wegen Njala?«
Dr. Tackenberg drehte sich kurz um und rief nach Ivonne.
Die stolperte die Treppe hinunter und warf Pia einen furchtbar wütenden Blick zu. Ivonne war größer als Pia und hatte lange blonde Haare, die lässig über ein bauchfreies Shirt hingen.
»Zieh dir was Warmes an, wir wollen in den Stall«, sagte ihr Vater, aber Ivonne schüttelte nur den Kopf. »Ich habe keine Lust, bleib drinnen. Es ist zu kalt.«
Herr Dr. Tackenberg zog sich eine blaue Windjacke an und lief hinter das Haus, wo ein kleiner Stall aus weißgetünchtem Holz auf einem Paddock stand. Daneben befanden sich eine Reitbahn und ein kleiner Springplatz.
Dr. Tackenberg öffnete den Stall und da stand sie. Njala.
Als Pia sie sah, wusste sie vom ersten Augenblick, dass sie diese Stute lieben würde. Es würde kein langsames Aneinandergewöhnen werden wie bei Lucky, es war Liebe auf den ersten Blick.
Obwohl Njala ein Anblick des Jammers war. Sie hatte ein cremeweißes Fell, war viel heller als alle Norweger, die Pia bislang gesehen hatte. Die dunkle Mähne war zwar gestutzt, aber ansonsten war Njala total verwahrlost. Pia konnte jede Rippe erkennen und die Hufe der Stute waren viel zu lang und nach allen Seiten gesplittert.
»Das ist sie. Meine Tochter hat kein Interesse an ihr. Es ist schade um
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