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werden würde, das wusste Pia nicht. Ihre Gedanken tanzten wild in ihrem Kopf herum, schafften nicht, sich zu ordnen. Pia wusste einfach nicht, was sie von all dem halten sollte. Sie humpelte deshalb auch gleich in den Klassenraum. War ja nicht schlecht, das kaputte Knie vorzuschieben, damit sie nicht Gefahr lief, Sören oder seinen Freunden in die Arme zu laufen. Ihr war das alles furchtbar peinlich. Ein bisschen war sie auch wütend, aber in erster Linie war Pia völlig verschreckt. Da war etwas mit ihr geschehen und sie wusste nicht genau was.
»Ich komme heute zu dir«, sagte Jana. »Mal schauen, was mit Njala so ist.« Sie musterte Pia »Wie siehst du denn aus? Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde glatt sagen, du hast einen Kater.« Jana schlug Pia mit Schwung auf die Schulter und lachte lauthals los. »Aber das ist von dir irgendwie nicht zu erwarten oder trinkst du neuerdings mit Njala Grog? So richtig schön steif mit ordentlich Zucker drin?« Jana bekam sich bei der Vorstellung gar nicht mehr ein.
»Njala trinkt nur Korn«, sagte Pia. Aber schon dieses Wort löste in ihr fast wieder ein Übelkeitsgefühl aus.
Kurz bevor die Stunde begann, steckte Sören seinen Kopf durch die Klassentür. Pia tauchte unter den Tisch ab, tat so, als suche sie etwas in ihrer Schultasche. Aber da rammte ihr Jana schon den Ellenbogen in die Seite. »Ey, was ist? Der will was von dir!«
»Bestimmt nicht«, raunte Pia. Als sie wieder auftauchte, war Sören verschwunden.
°°°
Pia war froh, dass der Schnee wirklich ganz geschmolzen war. Sie plante, mit Njala so weit zu kommen, dass sie im Frühling mit ihr einen Ausritt an den Strand machen konnte.
Um Sören hatte sie sich in der Schule nicht gekümmert. Der konnte sie mal. Als er dort in der Tür gestanden hatte, war in Pia eine solche Wut hochgekrochen, dass sie ihm beinahe ins Gesicht gespuckt hätte. Gut, dass sie gleich unter ihrem Tisch verschwunden war. Eine Szene wäre doch zu peinlich gewesen. Erst machte er sie besoffen und dann verschwand er auch noch einfach so. Ließ sie auf allen Vieren durch den nassen Sand krabbeln. Es war erniedrigend. Ein treffenderes Wort fiel Pia dazu wirklich nicht ein. Er war doch ein mieser Typ, genau wie Jana es immer gesagt hatte. Wahrscheinlich war das mit dem Tee seine Masche da unten. Dieser Raum, in dem er scheinbar seine ganzen Flammen abschleppte. Pia hasste ihn. Aber mehr als einen verachtenden Blick und ein heftiges Kopfschütteln hatte sie trotzdem nicht fertiggebracht.
Jetzt dachte sie schon wieder ein bisschen anders darüber. Vielleicht wusste er ja gar nichts von der Fotosache und war nur deshalb nicht zurückgekommen, weil er wirklich dem Typen auf den Fersen war, der das getan hatte.
»Aber er hat behauptet, im Tee wäre nichts. Und doch war das fast purer Alkohol«, flüsterte Pia. »Ich will nichts mehr von ihm wissen. Ich kümmere mich jetzt nur noch um Njala.«
Aber schon während Pia das dachte, hoffte sie, gleich wieder von ihm zu hören. Sie roch seinen Duft, der sich über ihren eigenen gelegt hatte wie eine zweite Haut. Sie hörte seine Stimme und fühlte das leichte Reiben ihrer Hände aneinander, als sie zusammen dieses Zeug getrunken hatten.
»Ich muss mich jetzt um Njala kümmern«, schimpfte sie mit sich selbst. »Heute geht es darum, ob sie das Aufsatteln mitmacht. Schluss mit Sören!« Pia stellte sich gerade hin, trommelte sich wie Tarzan mit den Fäusten an die Brust und schrie laut. »Schluss!!!«
Natürlich ging gleich darauf die Tür auf und Pias Mutter stand im Zimmer. Richtig, dienstags hatte sie immer nur bis mittags Dienst. Na, super gelaufen. »Was ist denn mit dir los?«
Pia druckste herum und ihr fiel nur die allerdämlichste Ausrede ein, die man loslassen konnte. Abgegriffen und einfach nicht überzeugend. Pia sagte: »Ich habe für ein Theaterstück geübt, das wir aufführen wollen.«
»Ein Theaterstück«, wiederholte ihre Mutter skeptisch. Klar, glaubte sie nicht daran. »Zumindest scheint der Text von der Lautstärke her zu dir zu passen.« Mama grinste.
Pia strahlte ihre Mutter an. »Gleich will ich Njala aufsatteln.« Im selben Augenblick summte ihr Handy.
»Wenn es Schwierigkeiten gibt, sagst du Bescheid, Pia!« Ihre Mutter schloss die Tür.
Klar merkte Mama, dass hier nicht alles gut läuft, dachte Pia. Erst mein Rumgespucke, dann bin ich ganz schön komisch. Mama ist ja nicht blöd.
Unten ging das Radio an. Pias Mutter hatte es übermäßig laut angestellt.
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