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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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nicht regelmäßig Bericht erstatten, aber an diesem Nachmittag tat er es.
    »Neue Entwicklungen, Chen?«
    »Leider nein«, erwiderte Chen. »Hat Wei gestern mit Ihnen gesprochen?«
    »Ja, gestern oder vorgestern hat er mich angerufen, hatte aber nichts von Belang zu berichten. Wei war ein guter Genosse.«
    »Hat er etwas Konkretes über die Ermittlungen gesagt?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Es war nur ein Routinebericht.«
    »Hat er erwähnt, was er vorhatte?«
    »Nein, wie gesagt, reine Routine. Sie sind ja sein Berater, nicht ich.«
    Li antwortete offenbar bewusst vage, er wirkte vorsichtig und leicht irritiert.
    »Die Ermittlungen sind Ihnen direkt unterstellt, Parteisekretär Li, und wie Sie am ersten Tag richtig sagten, habe ich mich, genau wie Hauptwachtmeister Wei, regelmäßig bei Ihnen zu melden«, erklärte Chen.
    Dann kam ihm ein neuer Gedanke. Wenn Wei am fraglichen Morgen bei Li angerufen hatte, musste er sein Mobiltelefon dabeigehabt haben. Aber in der Notaufnahme hatte man nichts bei ihm gefunden, was auf seine Identität hätte schließen lassen. Anhand des Telefons hätten sie ihn jedoch leicht identifizieren können.
    Hatte Wei vielleicht genau in dem Moment telefoniert, als der Wagen ihn erfasste, und das Handy wurde weggeschleudert?
    Es gab da also manches, das Chen noch erledigen musste. Nur nichts überstürzen, sagte er zu sich selbst und atmete tief durch. Dann nahm er das Jasminsträußchen aus seiner Tasche und warf es an der Unfallstelle auf den Asphalt.
    Eine graue Taube flog über ihn hinweg, die kleine Pfeife an ihrem Fuß gab ein sirrendes Geräusch von sich. Als er aufblickt, war sie bereits verschwunden.
    Wieder kamen ihm Zeilen aus dem Gedicht jenes Songzeitlichen Dichters in den Sinn, das ihm kürzlich im Garten des Schriftstellerverbands eingefallen war.
    Doch diesmal hatte es andere Gründe. Es ging um eine andere Person, ein anderes Leben. Damals hatte man ihm gerade seinen Arbeitsplatz bei der Polizei zugewiesen. Die Redaktion der Wenhui war noch in einem Gebäude unweit des Bund untergebracht, und dort hatte er sich mit einer Journalistin getroffen, die später nach Japan ging.
    Wie weit du gereist bist, / weiß ich nicht, aber was ich sehe, / erfüllt mein Herz mit Schwermut. / Du entfernst dich immer mehr, / deine Briefe kommen seltener. Die Wasserfläche / dehnt sich so weit, / nirgends ein Fisch, der Kunde von dir brächte / und den ich nach dir fragen könnte .
    Es war die erste Strophe eines Gedichts von Ouyang Xiu aus dem 11. Jahrhundert. Damals glaubten die Menschen noch an die romantische Legende von den Fischen, die Liebesbotschaften durch Flüsse und Meere trugen. Völlig undenkbar im Zeitalter von E-Mail.
    Oberinspektor Chen betrat das neue Redaktionsgebäude und versuchte, sich in die Gegenwart zurückzubringen.
    Die Eingangshalle war gewaltig und ähnelte der Lobby eines Fünf-Sterne-Hotels. In der Mitte wurde eine Ausstellung mit Schwarz-Weiß-Fotos gezeigt, doch er steuerte auf ein kleines, offenes Café zu, wo sich die Journalisten entspannen und mit Besuchern treffen konnten.

11
    Lianping begann ihren Tag mit einem Besuch bei Yaqing, der Ressortchefin für Literatur bei der Wenhui . Sie wohnte in einem luxuriösen Apartment nur fünf Gehminuten vom Redaktionsgebäude, und Lianping vertrat sie derzeit im Mutterschaftsurlaub.
    Yaqing stand verbindlich lächelnd in der Tür, eine schlanke Gestalt in einem roten Morgenmantel, der mit einem goldenen Phönix bestickt war, und weichen Lederpantöffelchen. An ihrem Finger glitzerte ein riesiger Diamant. Sie wirkte wie eine elegante Dame der Oberschicht, Lianping erkannte sie kaum wieder.
    Die Wohnung war riesig, ging über zwei Stockwerke und bot Ausblick auf einen künstlichen See. Yaqings Mann Ji Hua-dong gehörte zur »Erfolgselite« der Stadt und verdiente sein Geld im Import-Export-Geschäft.
    Im geräumigen Wohnzimmer servierte eine Hausangestellte Drachenbrunnentee und einen Teller frische Litschis.
    »Ganz frisch«, erklärte Yaqing und blies vorsichtig in ihre Teeschale. »Vor dem Regen geerntet.«
    »Riecht wunderbar erfrischend. Wie geht’s dem kleinen Ji?«
    »Die Amme füttert ihn im Kinderzimmer.«
    »Ich werde dich auch nicht lange aufhalten, Yaqing. Ich wollte dich nur über die Pläne für die Literaturseite informieren.«
    »Mach dir nicht zu viele Gedanken, Lianping. Für die Wenhui ist die Literaturseite allenfalls von symbolischer Bedeutung. Kaum jemand liest sie. Das sieht man schon daran,

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