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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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Ankunft zerstört worden. Wer käme denn Ihrer Ansicht nach als Verdächtiger in Betracht?«
    »Im Moment bin ich nach allen Seiten offen. Eigentlich ist es ganz einfach. Auf dem Zeitungsfoto ist die Schachtel viel zu klein, als dass man die Marke erkennen könnte. Also muss derjenige, der das Foto geschickt hat, Zugang zu dem Original auf Zhous Computer gehabt haben, das man hätte entsprechend vergrößern können. Diese Idee kam mir, als mir jemand anderer Bilder auf elektronischem Weg zugeschickt hat«, erklärte Chen.
    »Das leuchtet ein«, sagte Melong, ohne jedoch zu erwähnen, dass die Netzpolizei mit derselben Prämisse arbeitete.
    »Wer also hatte Zugang zu dem Originalfoto? Alle in Zhous Umfeld, die auf seinen Computer oder zum Beispiel seine Kamera zugreifen konnten«, sagte Chen. »Außerdem müssen wir uns, wie ich mit meinem Kollegen Wei besprochen hatte, auf diejenigen konzentrieren, die davon profitierten, dass Zhou an den Pranger gestellt wurde.«
    »Das würde die Liste der Verdächtigen eingrenzen.«
    Es war wie eine Tai-Chi-Vorführung. Jeder der beiden Akteure schien den anderen angreifen zu wollen, und doch agierten sie im Einverständnis miteinander. Allmählich begriff Melong, dass Chen zwar in dieselbe Richtung wie die Netzpolizei dachte, es aber nicht auf ihn abgesehen hatte.
    Aber ganz gleich, ob er in der Schusslinie stand oder nicht, Melong wollte nichts mit der Polizei zu tun haben.
    »Bislang ist es nur eine Liste, und deshalb bin ich mir auch sicher, dass wir einander helfen könnten, Melong. Wenn der Fall erst einmal gelöst ist, werden die Netzpolizisten oder andere Ermittler Sie vermutlich nicht weiter belästigen.«
    Das war ein unmissverständliches Angebot. Chen in seiner Position und mit seinen Verbindungen würde ihm tatsächlich helfen können. Zumindest in dieser Situation. Melong ging mit sich zu Rate.
    Ein Mobiltelefon begann zu klingeln. Es war das von Chen, und er zog es rasch aus der Tasche. Melong wollte den Raum verlassen, doch Chen bedeutete ihm zu bleiben.
    »Entschuldigung, nur ein Anruf von meiner Mutter, den muss ich annehmen.«
    Chen der pietätvolle Sohn. Melong konnte nicht umhin, eine Veränderung in der Miene des Oberinspektors wahrzunehmen. Es war der Ausdruck unmittelbarer Erleichterung. Doch die Fragmente der Unterhaltung, die er aufschnappte, ergaben für Melong keinen Sinn.
    »Ja, habe ich … der Witwe meines Kollegen … mit Gu darüber sprechen … Ja, ich werde mich bei Doktor Hou für alles bedanken … Ich komme entweder morgen oder übermorgen vorbei … Ja, das werde ich … Ostchina … Pass auf dich auf. Bis bald.«
    Chen ließ das Handy wieder in die Hosentasche gleiten. »Meine Mutter hat einen leichten Schlaganfall erlitten und wird gerade aus dem Krankenhaus entlassen. Ich habe mein Handy immer an. Sie ist alt und lebt allein. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie.«
    »Wohnt sie denn nicht mit Ihnen zusammen?«
    »Nein, sie besteht darauf, in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Im Krankenhaus will sie auch nicht länger bleiben, wegen der Kosten.«
    »In welchem Krankenhaus war sie?«
    »Im Ostchina-Hospital.«
    »Kein Wunder, das ist nur etwas für hochrangige Kader wie Sie.«
    »Nein, das hat mit dem dortigen Chefarzt zu tun. Nennen Sie es Beziehungen. Aber natürlich möchte ich alles in meiner Macht Stehende für meine Mutter tun. Jedenfalls hat er sich sehr gut um sie gekümmert, ganz gleich, ob das etwas mit meiner Position zu tun hat oder nicht.«
    »In der heutigen Gesellschaft kann man ohne Beziehungen nichts erreichen, und die basieren eben auf der eigenen Position«, entgegnete Melong. Dann fügte er wider besseres Wissen hinzu: »Nicht jeder hat so viel Glück wie Sie.«
    »Was meinen Sie damit, Melong?«
    »Meine Mutter hat Lungenkrebs zweiten Grades. Aber für die städtischen Krankenhäuser gibt es lange Wartelisten, im Fall meiner Mutter sind das zwei Monate, und ein Hospital wie das Ostchina kommt für uns nicht infrage. Ich fühle mich so hilflos.« Seine Stimme bebte plötzlich, und er leerte hastig seine Teeschale. »Ich bin ein unwürdiger Sohn.«
    »Ich kann Sie gut verstehen. Mir geht es ähnlich.« Während Chen das sagte, zog er ein anderes Handy aus der Tasche und gab eine Nummer ein. Erstaunt sah Melong ihm dabei zu.
    »Doktor Hou, ich muss Sie um einen Gefallen bitten«, sagte Chen mit Nachdruck in der Stimme. »Die Mutter eines Freundes hat Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Ich weiß, wie schwer es ist,

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