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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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und dem Grafen unendlich dankbar, und ich erinnere mich an sein Versprechen. Aber ich habe nichts, womit ich mich erkenntlich zeigen könnte, und das, was ich hätte, will ich Euch nicht geben.«
    Ferruccio senkte den Kopf. Er spürte ihren Blick auf sich ruhen und wagte nicht aufzublicken. Dann faltete er die Hände wie zum Gebet und rührte sich nicht von der Stelle.
    »Du hast schon zu viel Leid ertragen, Leonora. Ich glaube, du hast deine Schuld dem Leben gegenüber mehr als beglichen. Keiner von uns wird dich um eine Gegenleistung bitten – du hast schon so viel gegeben. Dies hier ist nun dein Heim. Bei der Bank der de’ Medici hier in Rom kannst du dir holen, was du zum Leben und für deine Kleidung brauchst. Du kannst dir eine Magd suchen, die dich begleiten und sich um die Wohnräume kümmern wird. Wenn du es wünschst, werde ich für ein paar Tage hier verweilen und dir zur Seite stehen, damit du dich an dein neues Leben gewöhnen kannst. Du kannst alles von mir verlangen, Leonora, nur nicht, dass der Graf und ich unsere Entscheidung ändern.« Vorsichtig nahm er ihre Hand und fuhr fort: »Nun muss ich dich aber verlassen, denn ich habe noch einige Angelegenheiten zu regeln, wo deine Anwesenheit nicht opportun wäre. In der Kammer findest du Kleider, die du anprobieren kannst und … nun ist aber Schluss mit dem Kummer.«
    Ferruccio nahm sein Schwert und ging, ohne sie noch einmal anzusehen. Leonora blieb allein in den vielen Zimmern zurück, die sie noch nicht kannte. Seitdem sie aus dem Kloster verjagt worden war, hatte sie nicht mehr gebetet, nun aber kam ihr doch ein Gebet über die Lippen. Es war jedoch nicht an Gott gerichtet, den sie nicht mehr kannte, sondern an etwas Liebevolles, Fürsorgliches – ein Wesen, das ihr ganz nahe war. Sie dachte an ihre Mutter, an die sie sich kaum mehr erinnerte, und sah sie im Geiste über sich gebeugt. Leonora legte das schwarze Kleid ab und ging an den Schrank, in dem sie weitere Kleider vorfand. Sie wählte ein graues Damastkleid mit Ärmeln, einem Gürtel und einem Ausschnitt aus blauem Samt. Dann trat sie ans Fenster und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Draußen in den dunklen Gassen Roms, in denen die Sonne erst am Mittag aufging, streiften Soldaten umher. Sie hatten starke Ketten dabei und den Befehl, so viele Prostituierte wie möglich fortzubringen, denn unter ihnen befanden sich sicher Frauen, die nach Hexerei rochen.

Florenz
    Sonntag, 18. März 1487
     
    Misstraut den Gesetzen und den Herrschern, die Euch das ewige Heil versprechen, denn sie kommen als Schafe im Wolfspelz! Wehe den Sündern!«
    Die Predigt ging zu Ende, aber Bruder Girolamo Savonarola hatte sich, so wie immer, einen letzten Feuerstrahl aufbewahrt. Er machte eine Pause, damit seine letzten Worte umso eindringlicher erklangen.
    »Und du, Rom, Quelle jedweder Bedrohung! Wollust, Sodomie und Käuflichkeit sind deine Töchter! Dir wird keine Gnade ohne Bestrafung und Erneuerung gewährt! In einem Monat ist Ostern: Ich aber sage euch – denjenigen, die den Kopf nicht beugen, wird er abgeschlagen! Die, die sich nicht mit dem Blute Christi die Seele reinwaschen, werden brennen! Und nun geht in Frieden.«
    Die Mauern der kleinen Santa-Verdiana-Kirche erbebten immer noch von den Worten des Mönches, als die würdevolle Prozession der Gläubigen durch das enge Hauptportal hinaus ins Freie trat. In der engen Via dell’Agnolo und auf den nahe gelegenen Wiesen warteten Kutschen und Pferde, denn die kleine Kirche lag vor den Toren von Florenz. Lorenzo de’ Medici bereute, dass er den Dominikanermönch früher hatte in der San-Marco-Basilika predigen lassen: Seine Moralpredigten gegen die Korruption der Kirche, die schlechten Sitten und die Herrschenden hatten der Politik der Kompromisse und Allianzen nicht gutgetan. Diese Politik hatte Florenz jedoch reich gemacht und der Stadt eine zentrale Rolle im Gleichgewicht des italienischen Machtgefüges zugestanden. Obwohl der florentinische Herrscher ihn sehr verehrte, hatte er dem Mönch schließlich die Position eines einfachen Predigers in einer weit entfernten Kirche auferlegt, wo er nicht mehr so viel Unheil anrichten konnte. Manchmal wohnte er den Predigten, als einfacher Kaufmann verkleidet, noch bei.
    Giovanni saß ganz hinten im Kirchenschiff, fast unter dem Chor, und bewunderte das fantastische Altarbild der Jungfrau mit Kind von Giotto di Bondone. Der blaue Umhang und das goldene Gewand passten wunderbar zueinander und hoben die Figur

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