999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
sie neue Anweisungen erhielten. Sie sollten über seine Gewohnheiten Bericht erstatten und sofort melden, wenn er Anstalten machte, Florenz zu verlassen. Mehr erklärte er ihnen nicht, und die beiden fragten auch nicht weiter.
»Wenn es keine weiteren Anweisungen gibt«, sagte Klaue, der offensichtlich der Ranghöhere war, »dann gehen wir. Wir müssen heute Abend noch zu einer Vorlesung in der Universität.«
Zugel schaute ihn perplex an, und Klaue lächelte. »Wir müssen einem Professorchen eine Lektion erteilen … ein gewisser Calogero, ein furchtbarer Hitzkopf.«
»Ah, ich verstehe«, antwortete Zugel komplizenhaft, »auch wir haben seinerzeit an den Universitäten Lektionen erteilen müssen, aber das ist nun Gott sei Dank nicht mehr notwendig. Wartet trotzdem noch einen Moment – bevor ihr geht, möchte ich euch noch jemanden vorstellen. Er kommt gerade.«
»Sollen wir ihm auch eine Lektion erteilen, Herr Zugel?«, fragte Klaue augenzwinkernd.
Zugel grinste und schüttelte den Kopf. »Nein, jedenfalls nicht jetzt, aber man weiß ja nie …«
Eine Zigarettenlänge später wurde an der Tür geklopft. Giovanni Volpe trat ein und musterte die Anwesenden argwöhnisch. Dann grüßte er Zugel mit einem Kopfnicken und wartete ab.
»Herr Volpe, Sie sind überpünktlich. Das ehrt Sie. Darf ich Ihnen die Herren Klaue und Pranke vorstellen? Sie werden uns bei der Durchführung unserer Operation helfen«, sagte Zugel.
»Ich wusste nicht, dass wir noch weitere Personen einweihen müssen«, sagte Volpe ärgerlich. »Ich hatte um größtmögliche Diskretion gebeten. Der Botschafter persönlich …«
»Halt!«, unterbrach ihn Zugel. »Jetzt sind Sie es, der nicht diskret ist, mein lieber Volpe. Die erste und wichtigste Regel lautet: Keine Namen. Auf jeden Fall sind unsere beiden Freunde hier unentbehrlich, um den Plan zu realisieren. Ich darf Ihnen versichern, dass die Herren zuverlässige Freunde des Reiches sind und einen hervorragenden Ruf genießen.«
Volpe hatte ganz genau verstanden, dass er vor zwei Geheimdienstagenten der OVRA stand, jener geheimnisvollen Organisation – über die viel spekuliert wurde, über die man aber so gut wie nichts wusste. Schon ihr Name war obskur – er stand für »Überwachung und Bekämpfung des Antifaschismus«, aber sicher war man sich da nicht: Und so erschien die OVRA vielleicht bedrohlicher, als sie in Wirklichkeit war. Es ging das Gerücht, dass sie allgegenwärtig sei und jeden denunzierte, der sich »antifaschistischen Aktivitäten« gewidmet hätte. Sie würde sich der Methoden der spanischen Inquisition bedienen, hieß es weiter, und wer erst einmal im Gefängnis gelandet war, der käme nicht wieder lebend heraus. Angesichts dieser dummen Provinzschläger schwante Volpe der Verdacht, dass der geheimnisumwobene Ruf der OVRA (wie so vieles andere) nur von der Regierung inszeniert worden war, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Volpe ließ sich Zeit, um zu reagieren.
»Wenn das so ist«, antwortete er, »dann ist das in Ordnung. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass Sie und ich unter vier Augen noch einige Details besprechen sollten.«
»Also gut«, lenkte Zugel ein, »unsere Freunde müssen heute Abend ohnehin noch zur Universität. Ich wollte nur, dass wir uns wenigstens einmal gesehen haben, um uns persönlich kennen zu lernen. In der heutigen Zeit ist es gut, neue Freunde zu gewinnen und zu wissen, dass man immer auf sie zählen kann. Möglicherweise benötigen Sie morgen schon Schutz, Herr Volpe, und diese beiden Ehrenmänner hier können diesen Schutz gewähren. Noch dazu gratis, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.« Er lachte.
Volpe verstand die Drohung sehr gut – immerhin war sie auch nicht sonderlich subtil. Dieser sogenannte Schutz bedeutete nichts anderes, als dass die beiden ihn umbringen würden, wenn er sich nicht an die Abmachung halten würde.
Klaue und Pranke verabschiedeten sich mit dem Hitlergruß, während Volpe nur leicht den Kopf neigte. Dann war er mit Zugel allein, der ihn stumm anstarrte.
Typische Gestapotechnik, dachte Volpe und spürte, wie die Angst in ihm hochkroch, weil er wusste, dass das, was er zu sagen hatte, Zugel nicht gefallen würde.
Rom
Montag, 18. Dezember 1486
Von den Fenstern der päpstlichen Privaträume schaute Giovanni auf die Gärten, in denen Seine Heiligkeit – meist in zweifelhafter, aber angenehmer Gesellschaft – zu flanieren pflegte.
»Graf«, vernahm er eine Stimme hinter
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