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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Girolamo.«

Florenz
    Montag, 19. September 1938
     
    Das Radio übertrug die letzten Momente des Blutwunders am Feiertag des heiligen Januarius, aber Wilhelm Zugel hatte nicht wirklich zugehört, obwohl das Radio seit einer geschlagenen Stunde bei voller Lautstärke lief. Eigentlich hätte er es auch ausschalten können … Er wollte aber sichergehen, dass die Schreie der jungen Frau, die er gerade vergewaltigt hatte und die immer noch halbnackt an das Bettgestell gefesselt war, übertönt wurden.
    Zugel mochte die italienischen Huren: Sie waren ganz anders als die deutschen – nicht so professionell und abgebrüht. Seine Volksgenossinnen machten alles und jede vorstellbare Perversion mit – Hauptsache, sie wurden dafür bezahlt. Die Italienerinnen waren weitaus kapriziöser; sie zierten sich, machten einen Haufen Probleme, und je mehr sie schrien und weinten, desto mehr erregte ihn das. Zugel genoss diese Erregung. Die Kleine hatte ihm sofort gefallen, weil sie wie das nette Mädchen von nebenan aussah – wie eine Hausfrau eben. Als er begann, sie zu fesseln, hatte sie sofort angefangen zu schreien wie am Spieß. Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als ihr ein Taschentuch in den Hals zu stopfen. Er hatte aus Spaß so lange gewartet, bis sie ohnmächtig geworden war. Damit sie nicht erstickte, hatte er den Knebel entfernt und ihr das Taschentuch stattdessen wie einen Zügel durch die Mundwinkel gezogen und am Hinterkopf verknotet. Die direkt in die Mikrofone der staatlichen Radioanstalt EIAR gebrüllten Schreie der Januarius-Klageweiber waren mehr als ausreichend gewesen, um das Röcheln und die heftigen Schläge, die er ihr mit Genuss auf Gesicht, Brüste und Oberschenkel verpasst hatte, zu übertönen.
    Während er sich befriedigt und zufrieden wieder anzog, dachte Wilhelm Zugel an die Angelegenheit, die er in ein paar Tagen zu erledigen hatte. Der Gestapochef, General von Heydrich höchstpersönlich, hatte ihn mit der »Operation Mirandola« beauftragt. Töten machte ihn zwar nicht so scharf, wie eine Frau zu vergewaltigen, aber ein bisschen Lust verursachte es ihm schon – vor allen Dingen, wenn diese Aktivitäten einen schönen Batzen Geld, die Wertschätzung der Vorgesetzten und ihm eine Vormachtstellung über Seinesgleichen einbrachten. Nicht jeder konnte töten, vor allem nicht so skrupellos: Zu wissen, dass er nützlich und in einigen Fällen sogar unentbehrlich war, erfüllte Zugel mit Stolz und machte ihn noch selbstsicherer. Dieser Fall war besonders brisant, und Heydrich erwartete erstklassige Arbeit, dessen war er sich wohl bewusst. Ohne ihn würde Volpe, dieser kleine Idiot, ernsthafte Probleme haben, an das Buch zu kommen – die Tat musste nämlich zweifellos wie ein natürlicher Tod aussehen.
    Zufrieden betrachtete sich der Geheimagent der Gestapo im Spiegel: Heute war sein Auftraggeber das glorreiche Dritte Reich, aber er wusste auch, dass sich die Dinge schnell ändern konnten. Nichtsdestotrotz machte Zugel sich um seine Zukunft keine Sorgen, denn zu allen Zeiten und an allen Orten hatten die Mächtigen dieser Welt immer das Gleiche gewollt: die Macht. Und wenn er den Mächtigen treu dienen und ihnen helfen würde, an die Macht zu kommen und zu bleiben, würde er immer unentbehrlich sein.
    Er glättete sein Tweedjackett – sein einziges Zugeständnis an die englische Mode – und schloss seinen Gürtel. Aus der Jackentasche holte er einen kleinen Kamm hervor und kämmte sich sorgfältig das schwarze Haar zurück. Er vermied es, dabei in den Spiegel zu schauen, damit er nicht sah, wie viele Haare ihm dabei ausgingen. Sein Arzt in Berlin hatte ihm mitgeteilt, dass die verdammte Schuppenflechte an dem starken Haarausfall schuld war – ebenso wie an den abstoßenden Flecken auf seinen Händen. Er zog die hauchdünnen Handschuhe über, die er am Vortag in Rom erstanden hatte, und verließ das trostlose Zimmer des San-Frediano-Bordells, von dem aus man ein Stück des Arnos sehen konnte. Aber vorher nahm er einen 100-Lira-Schein aus seiner Brieftasche und legte ihn lachend auf das geschwollene Gesicht des Mädchens. Wenn er sich großzügig zeigte, würde die Bordellbesitzerin keine Geschichten machen und sich nicht an die Polizei wenden. Jetzt, da er bald die Geheimpolizei treffen sollte, wäre es ihm äußerst peinlich gewesen, wenn er sich bei der normalen Polizei für so etwas hätte rechtfertigen müssen.
    Die Zentrale der OVRA , der italienischen Geheimpolizei, war nicht weit

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