999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
während meiner Arbeit hatte, langweilen. Für die Hingabe, mit der Graf Mirandola versucht hat, sein Werk zu schützen, verdient er all meinen Respekt.«
Innozenz hielt die Hände auf, um das Manuskript entgegenzunehmen, aber Cristoforo machte keinerlei Anstalten, es ihm zu reichen.
»Vater, ich wollte Euch meinen Dank dafür aussprechen«, fuhr er mit unbeweglicher Stimme fort, »dass Ihr mir all diese Instrumente und seltenen und geheimen chemischen Substanzen zur Verfügung gestellt habt, ohne deren Hilfe ich diese Aufgabe niemals hätte bewältigen können.«
Erneut machte Innozenz eine Geste, um das Buch entgegenzunehmen, aber auch diesmal tat sein Sohn so, als hätte er dies nicht bemerkt. Der Papst begann, die Geduld zu verlieren.
»Ich hoffe, ich konnte Euch zu Diensten sein«, fuhr Cristoforo derweil unbeirrt fort, »und ich hoffe, Ihr werdet so großmütig sein und mir meine Bitte nicht verweigern.«
›Aha, daher weht der Wind‹, dachte der Papst und lächelte Cristoforo zu, ›dieser kleine Bastard. Was er wohl haben will? Viel jedenfalls, so viel ist sicher. Wie auch immer – auf jeden Fall verdient er es. Wie viel er wohl von mir haben will? Und wo soll ich es herbekommen? Ich muss aufpassen, dass Fränzchen nicht eifersüchtig wird. Er wäre fähig und würde ihn umbringen. Ach, diese Kinder!‹ Laut sagte er: »Alles, was du willst, mein Sohn, aber erinnere dich«, sagte er und sah Cristoforo Mitleid heischend an, »erinnere dich, dass die Kassen der Kirche noch nie so leer waren wie in diesen Zeiten.«
»Ich will kein Geld, Vater.«
»Nicht?«, fragte Innozenz und wurde sogleich wachsam.
»Nein, Vater, ich möchte einen Brief von Euch.«
»Einen Brief?«
Cristoforo hielt das Manuskript noch immer eng an seine Brust gedrückt. Innozenz schaute ihn plötzlich gar nicht mehr väterlich an und faltete die behandschuhten Finger, auf denen gut sichtbar das Symbol seiner Macht, der Ring, prangte.
»Ja, Vater«, Cristoforos Tonfall war sicher, aber unterwürfig, »einen für das Haus Aragon in Spanien, für Isabella von Kastilien, für Heinrich VII. aus dem Hause der Tudors und für Karl von Frankreich.«
Während Cristoforo die Namen der mächtigsten Monarchen Europas nannte, klang seine Stimme immer selbstsicherer.
Innozenz schaute seinen Sohn immer erstaunter an. Hatte diese Arbeit seinen Sohn um den Verstand gebracht? »Warum nicht gleich auch noch einen für den Kaiser von Katai und Zipangu?«, spottete Seine Heiligkeit.
Cristoforo umklammerte das Manuskript fest mit beiden Händen.
»Kann sein, dass ich den Brief auch für sie brauchen werde, Vater. Denn dorthin will ich gehen. Aber auf dem Seeweg, und ich weiß, dass ich es schaffen kann.«
»Ach, mein guter Sohn«, sagte der Papst erleichtert, » du immer mit deinen Ideen. Es ist ein schwieriges und gefährliches Unterfangen, das Reisen, Cristoforo.«
»Ich weiß, Vater, aber stellt Euch einmal vor, was es bedeuten würde, den Seeweg in den Orient zu erschließen. Jedes Schiff kann 1.000 Pferde transportieren und dazu noch in der halben Zeit.«
»Der Ozean birgt viele Gefahren.«
»Auch das Festland, Vater. Wie viele Wagenladungen gehen, bevor sie uns erreichen, verloren, weil die Mannschaften auf Indianer und andere Wilde treffen? Und sind unsere Schiffe im Mittelmeer vielleicht sicherer? Die türkischen Freibeuter entern unsere Galeonen mühelos mit ihren schnellen und wendigen Schaluppen; sie berauben uns unserer Reichtümer und versklaven unsere besten Seeleute. Alle Königshäuser könnten große Vorteile aus meiner Expedition ziehen.«
»Und du? Welchen Vorteil hättest du von diesem Unterfangen? Glorie? Oder willst du deine Dienste den Franzosen oder den Spaniern anbieten?«
»Darf ich Euch etwas beichten, Vater?«
Argwöhnisch sah Innozenz seinen Erstgeborenen an. Er kannte seinen Sohn nicht gut, und sein Vertrauen in ihn gründete hauptsächlich in der Tatsache, dass Cristoforo sich von den Machtspielen im Dunstkreis des Papstes immer ferngehalten und sein Glück bisher ganz allein geschmiedet hatte.
»Warum willst du beichten?«, fragte Seine Heiligkeit und blickte seinen Sohn prüfend an.
»Weil das, was ich Euch anzuvertrauen habe, unter dem Schutze des Beichtgeheimnisses stehen muss. Auf diese Weise möchte ich mich auch für das Vertrauen, das Ihr mir entgegengebracht habt, erkenntlich zeigen.«
Innozenz hatte nichts zu verlieren, wenn er diesen Vorschlag annahm, und vielleicht würde sein Sohn ja
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