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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Herberge zurück.
    Hier fand er alles unverändert vor: Die Leichen seiner Diener lagen noch immer vor dem Eingang. In ihren leblosen Gesichtern stand die Ungläubigkeit über ihr überraschendes Ende. Ihnen und den anderen Toten in der Herberge schloss Giovanni sanft die Augen.
    Dann ritt er über die Felder, bis er einen Feigenbaum fand, den Baum allen Anfangs, der allen Religionen heilig ist. Er setzte sich im Schneidersitz unter die Schatten spendenden Äste und atmete den Duft der aromatischen Blätter ein. Hier blieb er, einen Tag und eine Nacht, und noch einen Tag – so lange, bis er in der Abendröte des zweiten Tages spürte, dass er wieder zu seinem höheren Selbst gefunden hatte. Zu dem, was die Christen Kontemplation nennen, die Weisen des Islam Erwachen , die jüdischen Kabbalisten mystische Intuition und die Jünger Buddhas Erleuchtung . Man musste einfach nur warten, ohne Eile, das wusste er, dann würde sie schon kommen, die Kontemplation. Und tatsächlich, nach einer Weile sah er die Feuerkugel – die gleiche, die den Beschreibungen vieler Augenzeugen nach auch am Tag seiner Geburt erschienen war. Der Arzt, der ihn auf die Welt gebracht hatte, hatte dieses Phänomen in allen Details niedergeschrieben. Astrologen, Gelehrte und Priester waren an den Hof der Mirandola gerufen worden und hatten unterschiedliche Deutungen aufgestellt, aber alle waren sich einig, dass das Neugeborene zweifellos zu etwas Besonderem auserkoren war. Nun endlich wusste Giovanni Pico, was die Prophezeiung zu bedeuten hatte.
    Am Todestag seiner Mutter und in allen anderen schwierigen Momenten seines Lebens hatte er die Präsenz der Feuerkugel gefühlt. Nun spürte er sie wieder; das gab ihm Zuversicht und erinnerte ihn daran, dass ihn nichts von seiner Lebensaufgabe ablenken konnte. Sein ganzes Dasein war diesem einen Zweck gewidmet, auch wenn er sich dessen am Anfang nicht bewusst gewesen war. Aber nun war er bereit und die Zeit des Nachdenkens vorbei. Die Feuerkugel verglühte, und Giovanni öffnete langsam die Augen. Nicht einmal körperliche Schmerzen hätten ihn jetzt mehr aufhalten können.

Fast sieben Monate später, Rom
    Montag, 20. November 1486
     
    Der neue Stadtpalast der adeligen Familie della Rovere, der sich am Borgo Vecchio befand, war immer noch festlich erleuchtet und geschmückt, obwohl die Nacht schon weit vorangeschritten war. Hausherr und Gastgeber war der neu gewählte Kardinal Domenico della Rovere, seines Zeichens erbitterter Erzfeind seines entfernten Cousins, Giuliano della Rovere. Giuliano war der Neffe des seit nunmehr zwei Jahren verblichenen Papstes Sixtus IV. und bekleidete ebenfalls ein Kardinalsamt. Ehrengast war ein weiterer Kardinal, Don Rodrigo de Borja y Doms, der in Begleitung seiner neuen Mätresse erschienen war, der jungen und schönen Giulia Farnese. Ihre dichte Haarpracht war hochgesteckt und wurde von einer Perlenkette mit einem prächtigen Smaragdverschluss gehalten. Für sie hatte Kardinal Borja Giovanna Cattanei, die von allen nur Vannozza genannt wurde, verlassen. Obwohl sie ihm drei Kinder geboren hatte, war sie immer noch eine attraktive Frau, und auch nach der Trennung wagte niemand, ihr Aufmerksamkeit zu schenken oder gar um sie zu werben, denn sie wurde weiterhin als Privateigentum des Don Rodrigo betrachtet.
    Ein Musiker spielte mit der Vihuela de mano , der weich klingenden spanischen Gitarre und dem Lieblingsinstrument des Ehrengastes auf. Er stimmte ein Branle vivace an, um den Tänzern die Gelegenheit zu geben, einander zu umwerben, ein paar Schläge lang innezuhalten und sich dabei tief in die Augen zu blicken, bevor das ausgelassene Treiben wieder von vorne begann. Das fröhliche Stimmengewirr der edlen Damen und Herren erfüllte den Semidei -Saal. Er war reich mit Fresken geschmückt, die musizierende Sirenen und Tritonen, Sphinxen, Zentauren und Satyrn beim Liebesspiel zeigten.
    Und doch waren die ausgelassene Atmosphäre und die anregende Musik für Giovanni Pico Graf von Mirandola und Concordia keine willkommene Abwechslung. Seit Monaten kreisten seine Gedanken nur um ein einziges Thema: Die bevorstehende Veröffentlichung seiner Thesen. Nichtsdestoweniger hatte er sich der Einladung nicht entziehen können – denn sie abzulehnen hätte eine schwerwiegende Beleidigung gleich beider Kardinäle bedeutet –, sowohl des Ehrengastes als auch des großzügigen Gastgebers. Lächelnd dachte er an die Vorwürfe, die ihnen Meister Savonarola gemacht hätte – der

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