999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
bin mir sicher, dass dieses gottlose Treiben bald ein Ende haben wird und Männer wie dein Bruder nichts mehr zu befürchten haben.«
»Dann segne Euch Gott, Giovanni – welcher auch immer.«
Rom
Dienstag, 21. November 1486
Eure Heiligkeit, der Botschafter der Medici ist angekommen.«
»Lasst ihn warten wie alle anderen auch. Er soll auf keinen Fall glauben, dass er bevorzugt wird.«
»Wie Ihr wünscht, Eure Heiligkeit … Lasst mich jedoch in aller Bescheidenheit zu bedenken geben, dass die Medici unsere Gläubiger sind. Und in diesen schweren Zeiten …«
»Ich weiß sehr gut, was wir den Medici schulden«, polterte der Papst los, »daran muss ich nicht von meinem Kardinalvikar erinnert werden. Lasst ihn warten, habe ich gesagt, und ruft mir Fränzchen. Ich will ihn augenblicklich sehen!«
Kardinal Sansoni schwieg, kreuzte die Arme auf dem Rücken und verließ unterwürfig rückwärts schreitend den Saal. Als Neffe des verstorbenen Papstes Sixtus IV. hatte er es geschafft, sich die Position des Kardinalvikars auch bei dem mächtigen Giovanni Battista Cibo zu sichern, der sich Innozenz nannte – der achte seiner Reihe. Und er hatte keinerlei Absicht, sich diese wieder entreißen zu lassen. Er musste allerdings besonders auf der Hut sein, denn obzwar er formal das Amt des Schatzmeisters bekleidete, hielt in Wahrheit einer der illegitimen Söhne von Innozenz VIII. die Schlüssel zu den Reichtümern in der Hand.
Wenige Minuten später kam Fränzchen durch die Geheimtür, die sich hinter dem Thron des Papstes befand und als Fluchtweg geplant worden war: Durch eine Reihe von Räumen konnte man mit Leichtigkeit den Geheimgang, den sogenannten Passetto del Borgo erreichen, der den Petersdom mit der Engelsburg verband.
»Ihr habt nach mir verlangt, Vater.«
Sein Ton war unterwürfig, doch seine aufrechte, hochmütige Haltung sprach eine andere Sprache. Fränzchen war gutaussehend und hochgewachsen. Das dichte, rabenschwarze Haar hatte er von seiner Mutter Eleonora, einer neapolitanischen Edelfrau, geerbt. Damit war er das komplette Gegenbild seines Vaters, und vielleicht vergötterte der Papst ihn gerade deshalb so sehr. Seitdem er denken konnte, war Fränzchen nur von dem einen Gedanken beseelt gewesen: Reichtum anzuhäufen. Ein Vermögen – das er beim Würfelspiel genauso schnell wieder verlor. Um seine Spielsucht befriedigen zu können, hatte Cibo ihn sofort nach seiner Wahl zum Papst als Statthalter von Ferentillo eingesetzt, einem reichen Städtchen an der Grenze des Herzogtums zu Spoleto. Leider stellte sich rasch heraus, dass diese Einkünfte Fränzchen nicht ausreichten. Mit Schmeicheleien, Tränen und seiner Schlauheit war es ihm schließlich gelungen, zum Ablasshändler der römischen Kirche ernannt zu werden.
Diese Position ermöglichte es dem Tunichtgut, einen florierenden Handel aufzubauen, den er »weltliche Gnaden« nannte. Wenn sein Vater, der Papst, versuchte, den Kirchenschatz des heiligen Petrus zu mästen, indem er den Adeligen und Kaufleuten Stücke vom Paradies verkaufte, so verkaufte Fränzchen die Gnade auf Erden. Jeder Räuber und Mörder, der es heil nach Rom geschafft hatte, konnte sich bei Fränzchen Straffreiheit im Himmel wie auf Erden erkaufen. Diese hatte allerdings ihren Preis und musste in Golddukaten bezahlt werden. Fränzchen, der über das päpstliche Siegel verfügen konnte, verlangte mindestens 200 Golddukaten für einfache Vergehen, und bei besonders grausamen Verbrechen konnte der Preis schnell auf tausend hochschnellen. Dreiviertel der Einkünfte wanderten in die Kirchenkasse, ein Viertel in seine privaten Taschen – so lautete die Abmachung mit seinem Vater.
»Wie viel Zeit haben wir noch, bevor die nächste Rate in Florenz fällig wird?«, fragte der Papst den Kardinalvikar barsch.
»Wir sind echte Genueser. Deshalb haben wir die Frist bereits verstreichen lassen, ohne die Rate einzulösen.«
»Und aus welchem Grund? Haben wir nicht genug, um zu zahlen?«, Innozenz VIII. schaute zu seinem Kardinalvikar.
Aber bevor dieser antworten konnte, kam ihm Fränzchen zuvor. Er setzte sich lässig auf die Stufen des Thrones und sagte: »Nein, das ist es nicht, Vater. Wir wollen nur, dass die Medici sich Sorgen um das Los ihres Kredits machen. Ein edler Herr zahlt nie pünktlich, umso mehr, wenn er der Papst ist. Der Gläubiger muss sich geehrt und dankbar fühlen, wenn er überhaupt etwas von seinem Geld wiedersieht.«
Innozenz VIII. lächelte: Dieser Sohn, mochte
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