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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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würdet Euren Männern voran über die sanften Hügel Spaniens reiten und Eure Pfründe verwalten.«
    »Nun beginne ich viele von den Dingen zu verstehen, die Ihr mir vorhin angedeutet habt«, sagte der Kardinal leise und senkte das Haupt.
    »Lest weiter, und Ihr werdet mehr verstehen«, ermutigte ihn Innozenz. »Und danach, wenn Ihr gelesen habt, was der Graf von Mirandola geschrieben hat, werdet Ihr noch besser verstehen.«
    »Was hat Mirandola mit alldem zu tun? Ihr bezieht Euch doch wohl nicht auf die Neunhundert Thesen .«
    Innozenz lächelte. Es stimmte, Borgia konnte noch nicht alles wissen, aber bei der Vorstellung, dass Borgia auch noch die anderen lesen würde, wurde sein Lächeln immer breiter. Er senkte den Blick und faltete die Hände.
    »Vertraut mir, danach wird Euch alles klar sein.«
    Rodrigo las weiter und verweilte ab und zu bei Verweisen, die ihm die Sorgen der Päpste vor Innozenz erhellten. Es gab Zeitensprünge in den Berichten – manchmal über hundert Jahre hinweg. Pflichtbewusstere Päpste wiederum zeugten ausführlich davon, wie manche Männer mit ihren Ideen der Wahrheit gefährlich nahe gekommen waren. Borgia las eine Notiz von Papst Zacharias, der den Merowingerkönig Childerich III. abdanken ließ, aus Angst, dass sich dessen Verehrung für Magdalena – der wirklichen Braut Christi – zu weit im Volk verbreiten könnte. Um die angebliche Verbindung zwischen den Merowingern und Christus zu sprengen, krönte er an Stelle von Childerich Pippin zum König der Franken und begründete damit die Dynastie der Karolinger.
    Am aufmerksamsten las Borgia die Erinnerungen von Papst Silvester II., demjenigen Papst, der die Magie besser als jeder seiner Vorgänger kannte, der sie noch selbst praktizierte und der den Zeitenwechsel in das Jahr 1000 überlebte. Das mögliche Ende der Welt hatte ihm keine Sorgen bereitet, dafür jedoch der Kaiser von China, Zhen Zong, der ihm ausgerechnet im Jahr 1000 eine Delegation entsandte. Die Delegierten wollten friedlich über das Ende des ersten kosmischen Zyklus des Ouroboros, der sich in den Schwanz beißenden Schlange, diskutieren. Ihre Gelehrten hatten interessante Ähnlichkeiten mit Eva, der Schlange und dem Baum der Erkenntnis aus der biblischen Tradition festgestellt. Die Frau in der christlichen Überlieferung besitze erstaunliche Ähnlichkeit mit ihrer Schöpferin, ließen die Abgesandten des chinesischen Kaisers vermelden, und darüber wollten sie mit den Gelehrten der römischen Kirche disputieren. Mit den Ergebnissen dieses Disputs gedachten die Chinesen, die erste Enzyklopädie über die religiösen Wissenschaften zu beenden. Silvester gelang es, seine Gäste fünf Jahre lang hinzuhalten und damit die Komplettierung der Enzyklopädie zu verhindern. Am Ende kehrten sie angewidert nach Katai zurück.
    Borgia war überrascht, wie viele jüdische Gelehrte sich mit der Illusion nach Rom begeben hatte, Unterstützung für ihre Thesen zu erhalten. Sie predigten – ganz im Geiste der jüdischen Volkstradition und der Zeugnisse der ältesten Schriften – die Existenz und die Vormachtstellung der schwarzen Muttergöttin Lilith. Diese Männer wurden ausgerechnet von ihren eigenen Lehrern verfolgt, die sie selbst zum Studium ermutigt, die Idee der Muttergöttin jedoch immer verteufelt – aber nie abgestritten – hatten. In Absprache mit den höchsten jüdischen Würdenträgern war jeweils genau der Zeitpunkt ihres Verschwindens notiert – mit einem Gebet für ihre Seelen am Rand der Notiz.
    Die letzten interessanten Anmerkungen betrafen den geheimen Kampf von Papst Clemens V. gegen den Heiligen Ritterorden aus Jerusalem. Es ging dabei um die Geheimnisse des heiligen Grals und die alles überstrahlende Bedeutung des weiblichen Prinzips in aller Schöpfung. Die Tempelritter hatten seit Jahren Beweise für die Existenz des heiligen Grals zusammengetragen und waren sogar so weit gegangen, den Vorgänger von Clemens, Papst Benedikt XI., herauszufordern, um ihn zu zwingen, der Christenheit und der ganzen Welt die Wahrheit zu offenbaren. Sie verloren den Kampf – der Orden wurde zerstört und mit ihm die in seinem Besitz befindlichen Beweise. Clemens V. selbst hatte in der Siegelrolle seine Zwei fel über die wirkliche Existenz dieser Beweise zum Ausdruck gebracht.
    »Hatten die Tempelritter wirklich diese Beweise?«, fragte der Kardinal skeptisch und sah Innozenz an.
    Der Pontifex wiegte den Kopf. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es kann sein, dass sie

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