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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Alexander nennen – wie Alexander der Große, der als Erster die Welt eroberte. Was meint Ihr?«, sagte Borgia provozierend.
    »Die Sterne raten den Mächtigen nicht zu diesem Namen. Aber er muss Euch gefallen. Also, es ist entschieden, Ihr werdet der sechste Alexander sein – wenn Ihr mich überlebt. Und nun zu uns … ehrenwerter Alexander.«
    Innozenz ging zu einer unauffälligen Holzbank, in der sich eine schwere Eisenkassette befand. Er brauchte mehrere Schlüssel, um die Schlösser zu öffnen. Bei jedem Klicken überliefen Borgia wohlige Schauer, die von seinen Lenden bis in sein Hirn stiegen, und als Innozenz ihm einen Haufen Blätter vorlegte und einen mit fünf Tonsiegeln verschlossenen Umschlag, fühlte er das Gleiche wie bei einem Orgasmus. Mit einer Kopfbewegung bedeutete ihm derjenige, den er bereits jetzt nur noch als seinen Vorgänger betrachtete, das Siegel zu öffnen und den Inhalt zu lesen.
    »Dies ist die geweihte Siegelrolle der Heiligen Römischen Kirche, die nur der Papst kennt, und die er entweder öffnen oder über die Jahrhunderte hinweg bewahren kann. Das ist unser Geheimnis, damit besiegeln wir das Leben oder den Tod von Gott.«
    Zum ersten Mal wurde das Wissen um den Inhalt der Siegelrolle, das tausend Jahre alte Sacrum Sagillum , zu Lebzeiten eines Pontifex von zwei Personen geteilt.
    * * *
    Die Siegelrolle stammte aus der Zeit des Konzils von Ephesos. Die Seiten waren in klassischem Latein verfasst, einer Sprache, die für Kardinal Borgia keine Geheimnisse barg. Seine Hände zitterten leicht, als er die ersten Seiten las, die darüber handelten, weshalb das Konzil gerade in Ephesos stattgefunden hatte. Welche Stadt wäre geeigneter gewesen als der Sitz des Artemis-Kults, um die Unwahrheit des alten Glaubens zu verkünden? Genau neben der Konzilsbasilika wurde eine antike Statue der Großen Mutter, der vielbrüstigen, die ganze Menschheit nährenden Göttin, errichtet. So subtil dieser Akt war, umso deutlicher waren die mahnenden Worte des Kaisers: Theodosius eröffnete das Konzil mit einem Satz aus dem Thomas-Evangelium: »Jedem, der den Vater verflucht, sei verziehen, jedem, der seinen Sohn verflucht, sei verziehen, doch jener, der die Mutter verflucht, wird keine Verzeihung erfahren, weder im Himmel noch auf Erden.« Theologisch gesehen, war diese Ermahnung eine auf diejenigen gemünzte Drohung, die es wagen würden, die Große Mutter zu verfluchen.
    »Wer hat diese Seiten geschrieben?«, fragte der Kardinal und schaute zum ersten Mal von den Blättern auf.
    »Unten steht seine Unterschrift mit Siegel. Papst Coelestin I., der Vorsitzende des Konzils, wagte nicht, irgendetwas niederzuschreiben. Sein Nachfolger Sixtus III. jedoch wollte diejenigen, die nach ihm kommen würden, warnen und hielt schriftlich fest, was während des Konzils wirklich geschah. Er wies darauf hin, dass die Kirche ihren Untergang riskiert hätte, wenn sie den Schmeicheleien und Drohungen des Orients nachgegeben hätte.«
    »Und wenn sich doch jemand mit den Kaisern aus dem Orient verbündet hätte?«
    »Das hätte sich für niemanden gelohnt – in Rom, meine ich. Das Imperium des Okzidents war dem Ende nahe, und eine Allianz mit dem Orient hätte der römischen Kirche bald jegliche Macht entzogen. Die einzige Möglichkeit zu überleben bestand darin, den Glauben in Rom zu bewahren und nötigenfalls Bündnisse mit den neuen Invasoren einzugehen. Deshalb wurde der Mythos der Konstantinischen Schenkung erfunden.«
    Mit einem Ruck drehte sich Rodrigo Borgia zum Papst um und schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Was meint Ihr damit?«, fragte er scharf.
    Innozenz seufzte und breitete die Arme aus.
    »Dass die Konstantinische Schenkung, auf der unsere Vormachtstellung, die Macht Roms beruht, eine Fälschung ist.«
    Borgia atmete schwer.
    »Das ist unmöglich. Der Kaiser schenkte Papst Silvester seine Paläste, um ihm dafür zu danken, dass er ihn von der Lepra geheilt hatte. Alle wissen das, sogar unsere Feinde!«
    »Ach, Rodrigo, dieses Buch hier vor Euch birgt mehr Geheimnisse als alle unsere Gespielinnen. Lest selbst, was Kirchenvater Stefan II. schrieb. Er war es, der die Schenkung erfand, als die Kirche daniederlag, um die Geburt unseres Staates rechtfertigen zu können. Ohne ihn würde es unsere Existenz nicht geben, Rodrigo. Die Kirche besäße weder Reichtümer noch Territorien und schon gar keine Macht über Könige und Kaiser. Heute wäre ich wahrscheinlich ein Bankhalter wie viele, und Ihr

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