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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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von Florenz allein. Er presste den Kupferzylinder mit den geheimen Thesen nervös an sich.
    Dies entging Ferruccio nicht. »Was habt Ihr? Mittlerweile sind wir in Florenz.«, sagte er.
    »Das macht mich ja so nervös, Ferruccio«, antwortete Giovanni. »Ich bin vor dem Papst geflohen – aber kann ich das auch vor Lorenzo?«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Lorenzo de’ Medici ist mein Freund. Aber wird er der Verlockung widerstehen können, mich nach den wahren Gründen meiner Flucht zu fragen? Und ich, der ich tief in seiner Schuld stehe – werde ich ihm den Inhalt dieses Buches verheimlichen können?«
    »Warum solltet Ihr es ihm vorenthalten? Könntet Ihr in Florenz nicht das tun, was Euch Rom verwehrte?«, schlug Ferruccio vor.
    »Und sich so offen gegen den Papst stellen? Das würde Lorenzo nie tun, nicht einmal, wenn er es könnte. Es würde ihn zu viel kosten, sowohl politisch als auch finanziell. Eine offene Rebellion könnte den Papst sogar dazu bringen, Karl von Valois nach Florenz zu rufen. Ein junger Franzose ohne Rückgrat, der leicht nachgeben könnte und der eine mächtige Armee besitzt.« Giovanni stockte und sah den Ritter an. »Und da gibt es noch etwas, Ferruccio – etwas, das Euch betrifft.«
    De Mola zog die Zügel an. »Nun seid Ihr mir eine Erklärung schuldig«, sagte er erstaunt und ein wenig beunruhigt.
    »Nehmt es Euch nicht zu Herzen, Ferruccio. Ihr seid Eurem Herrn verpflichtet, mehr als ich vielleicht.«
    »Wollt Ihr damit sagen, dass ich ihm von dem Buch, den Thesen, erzählen muss? Ist es das, was Ihr sagen wollt?«
    »Ja, und ich sage Euch, dass ich Euch vollkommen verstehen würde, wenn Ihr ...«
    Statt einer Antwort zog de Mola sein Schwert und hielt es ihm an den Hals. Giovanni spürte, wie die Spitze genau die Ader berührte, in der das Leben floss. Das Schwert zitterte leicht in den Händen de Molas, aber nicht seine Stimme.
    »Ihr haltet nicht viel von mir. Wisst Ihr, wie einfach es für mich wäre, Euer Blut spritzen zu lassen? Nur ein kleiner Druck dieses Eisens, ein einziger, entschlossener und präziser Stoß, wie ich ihn schon so oft ausgeführt habe. Für keinen habe ich um Verzeihung gebeten, nicht einmal Gott. Ich könnte Euch ermorden, irgendwo verscharren und das Buch in meinen Besitz bringen. Mit diesem Buch könnte ich dann vor Lorenzo treten und Euren Tod durch päpstliche Meuchelmörder oder irgendeinen Briganten beweinen. Ich könnte es ihm schenken und erzählen, was in ihm geschrieben steht und von ihm zehn-, ja hundertmal mehr Lohn bekommen, als ich für Euren Schutz erhielt. Was aber, glaubt Ihr, hindert mich daran, dies zu tun?«
    Graf Mirandola sagte kein Wort.
    »Ich verfüge zwar nicht über Euer Wissen«, fuhr de Mola fort, »aber – bei den Seelen, die ich zur Hölle fahren ließ – ich kenne nur einen Weg, den ich gehen will, und das ist der Weg der Ehre! Ihr habt mir Euer Herz geöffnet – und auch wenn Ihr wenig über mich zu wissen glaubt, wisst Ihr doch schon mehr als der mächtige Prächtige oder die Dirnen, mit denen ich ganze Nächte getrunken und das Lager geteilt habe.«
    Mit einer lockeren Bewegung steckte de Mola den Zweihänder wieder in die Schwertscheide und gab dem Pferd die Sporen.
    Giovanni holte ihn sofort ein.
    »Ferruccio, warte!«
    Er rief nach ihm, als wäre er ein Freund oder ein Gefährte, mit dem er Freud und Leid auf dem Schlachtfeld geteilt hatte.
    »Ich muss mich bei dir entschuldigen; ich hatte nicht die Absicht, dich zu verletzen. Ich hatte mich nur damit abgefunden, dass du einem anderen Herren verpflichtet bist. Nimm meine Hand an, ich bitte dich, und damit meine Freundschaft.«
    Giovanni zog sich den Handschuh aus und wartete mit ausgestreckter Hand.
    Ferruccio zog die dichten schwarzen Augenbrauen hoch, dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck, er zog sich den rechten Handschuh aus und packte mit einem breiten Lächeln die Hand seines Gefährten.
    » Nunc, amicus« , sagte er.
    » Amicus es, amice.«

Auf dem Weg in die Schweiz
    Samstag, 16.Oktober 1938
     
    Der weiß-rote Littornia-Zug hatte pünktlich um 14.53 Uhr den Bahnhof in Mailand verlassen. Die Pünktlichkeit der An- und Abfahrten war der ganze Stolz des Regimes. Dass das Zugpersonal und die Maschinenführer persönlich mit Gehaltsabzügen und Sanktionen für eventuelle Verspätungen geradestehen mussten, die sogar Entlassungen nach sich ziehen konnten, störte die Reisenden wenig. Giacomo de Mola wusste dies und ertrug die unfreundliche Eile, die der

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