999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
Treppe hinunter. Im Hof nahm er eine kleine Seitentür und ging durch einen Korridor, der nach draußen bis vor den Zollposten führte. Dort erwartete ihn ein Mann mit Kapuze.
»Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte eine wohlbekannte Stimme.
»Ich auch, Ferruccio.«
»Gehen wir, ich will nicht, dass man uns zusammen sieht.«
* * *
Sie erreichten von der Via Gondi aus den Borgo dei Greci. Ferruccio ging vor Giovanni her. Nachdem sie eine enge Gasse durchschritten hatten, betraten die beiden Männer ein Wirtshaus, auf dessen Schild ein barbusiges Weib prangte. In einer dunklen Ecke setzten sie sich an einen Tisch. Sofort kamen zwei Dirnen und gesellten sich zu ihnen.
»Ein anderes Mal, Ihr schönen Damen«, sagte Ferruccio. »Heute Nacht müssen wir uns um unsere Seelen kümmern.«
»Und an unsere denkt Ihr nicht? Auch wir haben eine Seele, hier drunter«, lachten sie und wedelten mit ihren Röcken.
»Hier, nehmt«, antwortete Ferruccio und warf ihnen eine florentinische Silbermünze zu, »damit rettet Ihr Eure Seelen und noch mehr.«
Ferruccio und Giovanni sahen ihnen nach, als sich die Dirnen entfernten. Der Wirt brachte übelriechenden Wein in zwei Holzkrügen, die seit Jahren nicht mehr abgewaschen worden waren. Vielsagend blickten sie sich an und trafen schweigend eine Übereinkunft – keiner von beiden würde den Wein anrühren. Der Wirt wurde sofort bezahlt, damit sie den restlichen Abend ihre Ruhe hatten.
»Eine Hure hat oft mehr Ehre im Leib als die meisten Damen edlen Geblütes«, sagte Ferruccio, »jedenfalls mehr als die, die dich heute Abend mit ihrer Tochter verheiraten wollte.«
»Es scheint, dass du schon wieder alles weißt.«
»Es ist sehr hilfreich, Pagen und Huren zu seinen Freunden zählen zu können.«
»Und es ist gefährlicher mit Edelleuten und Gelehrten …«
»Darauf kannst du wetten, mein Freund; aber ich möchte um nichts auf der Welt darauf verzichten, umso mehr, wenn sie deinen Namen tragen. Übrigens – da, schau.«
Ferruccio krempelte sich den Ärmel hoch: Auf dem Arm war ein tiefer Schnitt.
»Eine bleibende Erinnerung an einen von Fränzchens Meuchelmördern.«
»Sie haben dich hier in Florenz angegriffen?«, fragte Giovanni.
»Um ehrlich zu sein, war ich es. Ich wollte ein paar Informationen von ihm. Am Ende habe ich sie schließlich auch bekommen. Ich musste aber sehr überzeugend sein.«
»Könnte er sich nicht an dir rächen? Oder reden?«
»Ich glaube, dass die Hechte im Arno zu dieser Stunde schon seine Zunge gefressen haben.«
Giovanni schüttelte den Kopf und sah seinen Freund Ferruccio an. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er, ein Anhänger Platons, ein Philosoph, ein Adliger war der Freund eines Mannes, der für eine Information tötete.
»Was hast du ihn gefragt?«
»Später, Giovanni, das ist jetzt nicht so wichtig. Sag mir lieber, warum du mit mir sprechen wolltest. Eigentlich kann ich es mir aber bereits denken.«
»Die beiden mächtigsten Männer Italiens sind eine heilige Allianz eingegangen. Ich bin nicht einmal mehr in Florenz sicher, Ferruccio.«
»Es ist eine politische Hochzeit.«, sagte der Ritter ernst. »Magdalena und Fränzchen kennen sich nicht einmal. Stell dir vor, der Bräutigam hat sich sogar einige seiner römischen Lieblingshuren mit nach Florenz gebracht.«
»Ja, ich weiß es nur zu gut, und ich fürchte ihn. Aber nicht um meines Lebens willen, dass weißt du.«
»Sag mir, was ich für dich tun kann, Giovanni.«
»Du musst niemanden umbringen – ganz im Gegenteil«, beruhigte der Graf seinen Freund. »Du musst jemanden beschützen. Aber nicht mich, dafür ist nun keine Zeit mehr. Das Buch, Ferruccio. Ich will, dass du es für mich aufbewahrst. Du bist der einzige Mensch, dem ich wirklich vertraue.«
Ferruccio griff automatisch nach dem Weinkrug, hielt aber sofort wieder inne.
»Ein Freund hält dir nicht das Schwert an die Kehle.«
»Das und noch mehr kannst du tun, wenn es dir gelingt, ihn so weit zu bringen, dir zu vertrauen. Hör mir zu, mein Freund. All das, was in dem Buch geschrieben steht, habe ich in meinem Kopf, und ich könnte jederzeit alles erneut niederschreiben. Allerdings bräuchte ich Monate dafür, und ich habe keine Zeit mehr. Daher benötige ich auch das Buch nicht mehr. Ich ziehe es außerdem vor, dass es an einem sicheren Ort von einer Person meines Vertrauens aufbewahrt wird. Ich habe noch zwei Exemplare in Rom, und der Einzige, der weiß, wo sie sich befinden, ist Girolamo Benivieni, an
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