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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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haben.
    »Omega, sechs, sechs, sechs.«
    Am anderen Ende blieb es still.
    »Bitte wiederholen Sie.«
    »Omega, sechs, sechs, sechs.«
    »In Ordnung, bleib wo du bist, Gabriel wird dich kontaktieren.«

Rom
    Freitag, 2. März 1487
     
    Vor dem großen Tor des Palazzo Savelli erschien ein Soldat zu Pferde. Er ritt vor einem Karren, der von zwei Ochsen gezogen und von vier Hellebardenträgern, die das Wappen des Papstes trugen, begleitet wurde. Die heruntergelassenen Visiere mit Nasenschutz und die bis über die Knie reichenden Kettenhemden mit den ledernen Rückenpolstern verliehen ihnen ein kriegerisches Aussehen. Hinter dem Karren schritten Trommler, die alle vier Schritte einen Trommelwirbel ausführten und der Prozession die Aura eines Trauerzugs verliehen. Der schaurig-monotone Rhythmus, mit dem die Verurteilten aus dem Savelli-Kerker ihrer Strafe zugeführt wurden, war auf der ganzen Via Mont Serrat, auf der die Päpste normalerweise bis zum Lateran entlangschritten, zu hören.
    Tanzende und springende Kinderhorden umschwärmten die Prozession, und aus den Fenstern der umliegenden Häuser blickten die Menschen herab, um einen Blick auf den Verurteilten zu erhaschen. Sicherlich würde er auf dem Campo de’ Fiori gehängt werden. Der Karren schien leer zu sein, aber vielleicht lag ja auch ein Toter drin, der so schlimme Missetaten begangen hatte, dass man ihn trotzdem noch aufhängen wollte, um ein Exempel zu statuieren. Viele Frauen, Edelleute und Händler waren neugierig geworden und schlossen sich dem Zug an. Sogar die Prostituierten, die dort ihrem Gewerbe nachgingen, mischten sich unauffällig unter die Menge und versuchten mehr schlecht als recht, mit ihren grellen Kleidern nicht aufzufallen.
    Als sie auf dem Campo de’ Fiori ankamen, hielt die Prozession vor einer Gruppe Soldaten an, die einen großen Holzstapel bewacht hatten. Die Menschenmenge scharte sich eng um die Soldaten und rückte enger zusammen. Offensichtlich wurde niemand erhängt, denn es fehlte der Galgen, und es wurde auch niemand verbrannt, denn es fehlte der Pfosten, an den der Verurteilte normalerweise gekettet wurde. Einige, die vermeinten, sich mit den Bestrafungen der Kirche auszukennen, verkündeten, dass es sich mit Sicherheit um ein Ordal, genauer gesagt ein Feuerordal handeln musste, das weit schlimmer als ein Autodafé war, denn bei der Vollstreckung eines Ordals hatte der Angeklagte keine Möglichkeit, seine Sünden zu bereuen. Wenn der Verurteilte fähig wäre, auf glühenden Kohlen zu gehen, ohne sich zu verbrennen, bedeutete dies, dass er unter dem Schutz Gottes stand und deshalb unschuldig war. Manchmal aber wurde ihm dieser Schutz auch vom Teufel gewährt und darum, so lautete die gängige Praxis, war es in jedem Fall sicherer, den Verurteilten trotzdem zu verbrennen. Es war immer noch besser, eine unschuldige Seele in das Paradies zu schicken, als dass ein Sohn des Teufels ohne Bestrafung unter dem braven Volke wandeln konnte.
    Endlich zündeten die Soldaten das trockene Holz mit etwas Zunder an. Es entzündete sich sofort, und kurz darauf begannen die Holzscheite zu glühen. Nun war der Moment gekommen, um das Tuch vom Karren zu heben. Alle reckten die Hälse, um besser sehen zu können: Das war genau der Moment, auf den die Taschendiebe gewartet hatten, um unter die Kleidung der Gaffer zu greifen. Einige schnitten mit einer schnellen Bewegung die Ledergürtel durch, an denen die Geldbörsen hingen, während ihre auf dem Boden kriechenden Komplizen die Beute aufschnappten, um dann so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Die Taschendiebe waren geschickte Straßenjungen und die Fänger oft ihre kleinen Brüder. Sie versteckten sich mit der Beute so flink unter den weiten Röcken ihrer Schwestern, dass selbst die päpstlichen Wachen nichts gegen sie ausrichten konnten.
    An diesem Tag geschah jedoch etwas Unvorhergesehenes: Als die Menge vor einer besonders mächtigen Stichflamme zurückwich, schnitt ein junger Dieb einem feisten Schweinehändler aus Versehen seinen dicken Bauch anstelle des Gürtels durch. Der Händler brach über dem kleinen Bruder des Diebes zusammen und quiekte dabei wie eines seiner Schweine. Die Menge nahm jedoch keine Notiz von ihm, sie hatte nur noch Augen für den Karren, denn was da geschah, war wirklich sehr ungewöhnlich. Anstelle eines armen Sünders warfen die Soldaten eine große Menge Bücher, die unter dem Tuch gelegen hatten, in das Feuer. Alle waren enttäuscht. Die Fachleute für

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