999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
nun unmittelbar vor ihm. Giulia trug ein weiches dunkelrotes Samtgewand, das ihre weiße Haut erstrahlen ließ. Ihr enges Mieder betonte den schönen Körper, und um den Hals trug sie die goldene Kette mit dem Rubinanhänger, die er ihr geschenkt hatte. Ihre goldene Haarpracht reichte bis über ihre nackten Schultern hinab. Obwohl sie noch sehr jung war, sah sie würdevoll, ja beinahe streng aus. Als sich ihre Blicke jedoch trafen, kam sie lächelnd und mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Rodrigos Herz schlug schneller – das war das Paradies, das er für alle Ewigkeiten wollte. Keine Macht, keine Ehre und kein Reichtum waren mit der Liebe, die er für seine Giulia empfand, vergleichbar.
»Giulia, du bist so wunderschön«, flüsterte er.
»Man hatte mir Eure Ankunft gemeldet, aber als ich zu Euch kam, wart Ihr so in Euren Gedanken versunken, dass ich Euch nicht zu stören wagte.«
Ihre Stimme erfüllte das Zimmer wie eine frische duftende Brise. In ihren dunklen Augen verschmolzen Pupille und Iris zu einem magischen Etwas. Vom ersten Tag an hatte Rodrigo Borgia diese wunderbaren Augen bewundert, und sie übten noch immer maßlose Anziehungskraft auf ihn aus. Dass diese Augen zu einem jungen Mädchen gehörten, hatte ihn keinen Moment lang gestört – Giulia musste einfach ihm gehören. Der Kardinal näherte sich ihr und küsste sie leidenschaftlich, während er ihr die Arme auf den Rücken drehte. Sie stöhnte, und das erhöhte seine Leidenschaft umso mehr: Er drehte sie um und zurrte rabiat an ihrem Mieder, während sie sich eilig die engen Ärmel aufknöpfte.
Das Gewand fiel zu Boden, und Giulia trug jetzt nur noch ein Hemdchen. Als Rodrigo sich das seine vom Leib riss, wurde unter seinen Beinkleidern aus Leinen eine imposante Erektion sichtbar. Er kniete sich vor ihr nieder, fast so, als würde er sie anbeten, befreite sie von ihrem Hemdchen und zog Giulia an sich. Zärtlich fasste er sie bei der Hand und führte sie zu dem breiten Bett in der Zimmermitte, das aussah wie ein Altar mit gedrechselten Säulen. Sie schloss die Augen und spreizte die Beine für ihren Herrn. Rodrigo wurde schwindlig, und obwohl er kurz davor gewesen war, in sie einzudringen, erschlaffte seine Erektion. Giulia tat so, als würde sie es nicht bemerken und umfasste seine breiten Schultern mit ihren Mädchenarmen. Rodrigo spürte, wie die Kraft langsam wieder in ihm aufzusteigen begann, und drang dann heftig in sie ein. Das Mädchen schloss die Augen, doch die Calendulasalbe, die sie sich vorher in die Vagina geschmiert hatte, ließ sie keinen Schmerz verspüren.
Giulia lag mit dem Kopf an seiner Schulter. Ihr Arm ruhte auf seiner Brust. Sie schien zu schlafen. Rodrigo atmete ruhig und betrachtete die an die Decke gemalten Jagd- und Liebesszenen. In der Mitte triumphierte eine mit Pfeil und Bogen bewaffnete Diana über Beute und Jäger. Aus ihrem ledernen Harnisch lugte eine jungfräuliche Brust hervor. Sie wurde von einer Gruppe halbnackter junger Männer umrahmt, die sich auf das anschließende Fest zu freuen schienen. Die Gesichter der Männer waren alle der Göttin zugewandt – so, als würden sie nur auf ein Zeichen von ihr warten. Rodrigo betrachtete Giulias Antlitz – es war einfach vollkommen.
»Kleines Weib, Große Mutter«, murmelte er, »bist du wahrhaftig der Ursprung von allem? Wenn Gott eine Sie ist, dann kann sie nur dein Antlitz haben. Durch dich fühle ich mich wie neu geboren – mit dir und in dir. Du bist mein, schöne Giulia, mein ganz allein, für immer.«
»Habt Ihr etwas gesagt, Rodrigo?«
»Nein, schlaf weiter, mein Liebstes.«
Der Schlaf übermannte ihn. Mit halb geschlossenen Augen warf er noch einen letzten Blick auf die Fresken und glaubte in der Nackten, die sich in einem kleinen Teich erfrischte, die Gesichtszüge von Vannozza zu erkennen, seiner letzten Geliebten vor Giulia. War es eine Geschmacklosigkeit des Malers oder nur seine Vorstellungskraft? Oder womöglich eine Warnung der Großen Mutter, dass er kein anderes Weib neben ihr besitzen durfte? Vorsichtig umarmte er Giulia, um sie nicht zu wecken, und fühlte sich dabei wie eine riesige Spinne, die gerade ihr Netz spann. Giulia, aber nur sie, würde nichts zu befürchten haben. Das Malleus Maleficarum war nur der erste Schritt auf seinem Weg zur Macht. Weitere würden bald folgen, sie standen ihm nun klar vor Augen. Alles würde nur dem einen Ziel dienen: die heidnische Mutter zu zerstören, Pico zu zerstören und Papst zu
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