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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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werden.

Lugano
    Montag, 18.Oktober 1938
     
    Männer in eleganten dunkelblauen Anzügen huschten wortlos durch lange Korridore, die durch Gittertüren unterteilt waren. Alles war in kaltes Neonlicht getaucht. Jeder Angestellte war für genau einen Schlüssel verantwortlich – wie die Aufseher im Gefängnis –, und um an das Sicherheitsfach zu kommen, musste man mehrere Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. De Mola unterschrieb unzählige Male unzählige Unterlagen. Die drei Sicherheitsfragen, die ihn als den Unternehmer de Martini auswiesen, beantwortete er ohne zu zögern. Als er durch die letzte Gittertür gegangen war, wurde er von einem bewaffneten Wachmann die Treppe hinunterbegleitet, die ihn immer tiefer unter die Erde führte. Endlich kam er in einem großen Raum an, dessen Wände dunkelrot gestrichen waren. Hinter einer weiteren Gittertür sah er die Tür des Tresorraums mit dem Symbol der Bankgesellschaft, den drei Schlüsseln. Der Vatikan hatte nur zwei. Die Sicherheitsschleuse war vier Meter hoch und verfügte über eine dicke Stahlwand, die jeden abgeschreckt hätte, der auf die Idee gekommen wäre, hier eindringen zu wollen. Auf ein Zeichen des Wachmanns hin betätigte ein Angestellter hinter der Tür den elektrischen Mechanismus, der die schwere Metallschleuse öffnete. Er grüßte kurz den Wachmann, der draußen blieb, und verschloss hinter de Mola sofort wieder die Schleuse.
    »Würden Sie mir bitte Ihren Schlüssel zeigen?«, fragte er höflich und streckte die Hand aus. Wortlos reichte Giacomo ihm den Schlüssel. Aus dem Inneren des Tresorraums strömte ein warmes Licht auf den Gang. Der Angestellte ging voraus und bedeutete Giacomo, ihm zu folgen. Den Schlüssel hielt er wie eine brennende Kerze vor sich. Er war wie ein Engel, der ihn in das Paradies zu Gott geleitete.
    Seine Hände zitterten, als Giacomo das Sicherheitsfach öffnete: Vor wie vielen Jahren hatte er zum letzten Mal den Inhalt gesehen? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern – er wusste nur, dass er jetzt hier war, um das Buch zu holen. Nicht einmal mehr die neutrale Schweiz war noch sicher genug für Omega, und das Buch würde nun eine lange und gefährliche Reise antreten müssen. In den Vereinigten Staaten, dem Land der Freiheit und Demokratie, wo die Vereinten Nationen gegründet worden waren, würde das Buch sicher sein.
    Als er allein war, öffnete er das Sicherheitsfach. Ein schwarzer Ledereinband schützte das Manuskript des Giovanni Pico della Mirandola, das dieser vor fast 500 Jahren de Molas Vorfahren anvertraut hatte. Seit dieser Zeit hatten die de Molas es gehütet: versteckt zwischen tausenden anderen Büchern, in einem Keller in einer Eisenkassette, unwissenden Mönchen während des Zeitalters der Aufklärung untergeschoben und dann in den Tresoren der berühmtesten Bankiersfamilien hinterlegt. Die Rothschilds, die Nathans, die Mylius’, die Lombards, die Picetes in England, Frankreich und Deutschland, aber auch die Ghios aus Italien und sogar Camond in der Türkei hatten die Ultimae Conclusiones sive Theses Arcanae IC , die Neunundneunzig Geheimen Thesen beschützt und vor den Augen der Welt versteckt. Unterdessen verbreiteten sich die anderen neunhundert Thesen und hatten unter Philosophen und Theologen ein unterschiedliches Interesse geweckt.
    De Mola drehte sich mit einem Ruck um, denn sein Instinkt sagte ihm, dass er beobachtet wurde. Er verharrte regungslos und lauschte, hörte jedoch nur das beruhigende Summen der elektrischen Alarmanlage. Einen Augenblick später spürte er einen stechenden Schmerz am Hinterkopf, brach zusammen und verlor das Bewusstsein. Ein Mann mit schwarzen, nach hinten gekämmten Haaren und hässlichen Flecken auf den Händen fing ihn an den Achseln auf und ließ ihn langsam zu Boden gleiten. Wie geplant, warnten zwei leichte Klopfzeichen den Angestellten, der sofort von seinem Platz aufsprang. Er war solche Sachen nicht gewohnt und nahm all seinen Mut zusammen.
    »Schnell!«, sagt der Mann leise. »Keine Angst, ich habe ihn nicht getötet.«
    Das hatte der Angestellte auch gesehen, aber Angst hatte er trotzdem. Während der Mann das Manuskript und weitere Papiere in einer ledernen Aktentasche verschwinden ließ, versuchte der Angestellte, de Mola auf einen Stuhl zu setzen. Der Fremde bedeutete ihm jedoch, es sein zu lassen.
    »Sind Sie bereit?«
    »Ja, Herr Zugel, ich bin bereit«, flüsterte der Bankangestellte – 20.000 Deutsche Mark hatten eine große

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