Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
menschlich waren? Unmöglich, und doch fühlte es sich auf eine Art richtig an. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzugrübeln, wenn sie ihm entgehen wollte.
Erleichtert erkannte sie Martin, der mit wütendem Blick an einer Säule stand. Er hatte ihre Reisetasche an sich genommen und sah verärgert aus. Erst jetzt stoppte Rebecca und warf einen Blick über die Schulter zurück zu dem Fremden, der aus dem Gang gestürzt kam, die verletzte Hand unters Revers gesteckt.
Eine Schar Asiaten drängte sich schnatternd zwischen sie, sodass sie ihren Verfolger aus den Augen verlor. Sie mussten hier so schnell wie möglich verschwinden.
Nephilim! Nephilim! Das Wort dröhnte immer noch in ihren Ohren und die Sorge um ihre Eltern verhinderte jeden klaren Gedanken.
«Wo hast du gesteckt? Ich habe dich schon überall gesucht, Becca!» Martin nahm ihren Arm.
«Hast du den Mann gesehen, ganz in Schwarz, der mich verfolgt hat?», fragte sie, noch immer heiser und schluckte gegen das kratzige Gefühl in ihrer Kehle, das sich nur zäh löste.
Martin sah über ihre Schulter und zuckte mit den Achseln. «Ich sehe niemanden.»
Rebecca drehte sich noch einmal um, aber auch sie konnte den Fremden nirgends entdecken. «Bitte, lass uns sofort ins Krankenhaus fahren.» Sie hakte sich bei Martin unter.
«Erst trödelst du und dann drängst du mich zur Eile», beschwerte er sich.
Rebecca ignorierte seinen Vorwurf und hoffte, dass der Fremde ihnen nicht folgte.
«Es war übrigens leichtsinnig von dir, deine Tasche neben dem Sitz stehen zu lassen.»
«Ich bin nur zum Papierkorb gegangen und da hat mich dieser Kerl verfolgt», log sie und schob Martin weiter. Wie hätte sie ihm alles erklären können? New York, die Welt der Engel und Dämonen? Er hätte sie nur ausgelacht.
Martin reichte ihr die Reisetasche. Aaron hätte sie mir abgenommen , dachte sie. Aber sie war mit ihrem ganzen Emanzipationsgerede Martin gegenüber selbst schuld. Sie hatte immer für sich selbst bezahlen und allein entscheiden wollen, und er hatte es widerspruchslos akzeptiert. Dennoch glaubte sie, dass Aaron sich davon nicht hätte beeindrucken lassen.
Sie spürte noch immer die Hitze in ihrem Körper und konnte nicht fassen, was eben geschehen war. War es wirklich sie gewesen, die dem Fremden diese Brandwunde zugefügt hatte? Sie ein Nephilim? Nein, unmöglich. Das hätte sie doch spüren müssen.
Sie schob den Ärmel hoch und betrachtete ihren Arm, der völlig normal aussah. Vorsichtig strich sie mit dem Finger darüber. Nichts. Alles wie immer. Hatte sie eben eine Halluzination gehabt? Nein, ihr Arm schmerzte immer noch vom festen Griff des Fremden.
«Willst du nicht einsteigen, Becca?»
Verwirrt sah sie Martin an. Wenn er nur wüsste, was sie gerade erlebt hatte. Er hätte es ihr nie geglaubt.
«Ja, ja, natürlich», antwortete sie und zog die Beifahrertür auf.
Während der Fahrt warf sie einen verstohlenen Blick auf Martin, der so ganz anders war als Aaron, irgendwie steifer, konservativer, angefangen von dem hellen Trenchcoat bis zum beigen Anzug. Neuerdings gelte er sich das Haar, was sie überhaupt nicht leiden konnte, und während sie und Martin fast gleich groß waren, musste sie den Kopf in den Nacken legen, um zu Aaron aufzusehen.
Aaron war lässig, sexy und sensibel, und durch ihn war ihr bewusst geworden, was sie all die Jahre vermisst hatte: einen Mann, bei dem sie nicht immer stark und unabhängig sein musste, in dessen Armen sie Vergessen fand und der zugleich Leidenschaft in ihr entfachte. Zu spät, alles zu spät. Sie würde ihn nicht mehr wiedersehen.
Martin schwieg während der ganzen Fahrt. So konnte Rebecca ungestört ihren Gedanken nachhängen. Immer wieder dachte sie an den bedrohlichen Fremden. Wer außer diesen Apokalyptikern konnte noch ein Interesse an ihr haben und weshalb? Was war an ihrer Seele so besonders?
Wie gern hätte sie sich jetzt jemandem anvertraut, der sich damit auskannte, wie Rosie oder Aaron. Aber so jemanden gab es nicht. Nicht mehr.
Der Kloß in ihrem Hals wuchs mit jeder Meile, die sie sich dem Krankenhaus näherten. Ihre zittrigen Hände verkrampften sich auf dem Schoß. Ihr war vor Aufregung schlecht. Gleich müsste sie der grausamen Wahrheit ins Auge sehen.
«Ich habe schon viele schwerverletzte Patienten gesehen. Aber immer habe ich den Gedanken weit von mir geschoben, es könnte Menschen, die ich liebe, widerfahren.»
«Das ist Selbstschutz.»
«Ja, so ist es. Du kannst es
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