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Ab jetzt ist Ruhe

Ab jetzt ist Ruhe

Titel: Ab jetzt ist Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Brasch
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wieder ins Dorf, kauften Brötchen, Wurst und Kakaomilch, setzten uns auf eine Bank an der Dorfstraße, frühstückten und beobachteten schweigend die Leute, die an uns vorübergingen.
    »Kein Material«, seufzte Katja nach einer Weile und zündete sich eine Zigarette an. Sie hatte recht: Die Männer, die an uns vorbeigingen, taten dies meist an der Seite von Frauen. Oder sie waren alt. Oder hässlich. Oder alles zusammen. Kein Material.
    Wir schlenderten durch den Ort und gingen in einen Laden, der den üblichen maritimen Kitsch feilbot: Bernsteinschmuck, Teddys in Matrosenanzügen, gläserne Quallen-Aschenbecher, Keramik mit Strandmotiven, Muschelzeug. Es war voll, denn die Leute hatten bei dem Wetter nichts Besseres zu tun, als ihr Geld für sinnlosen Ostseekram auszugeben.
    Ich blätterte gerade gelangweilt in einem Buch mit »Inselgeschichten«, als plötzlich Katjas raues Lachen durch den Laden schallte. Ich stellte das Buch weg und ging zu ihr. Drei Männer standen bei ihr, einen davon kannte ich. Es war Hans, der Zwölfte. Die anderen beiden schienen die Freunde zu sein, mit denen er hier Ferien machte – ein großer Kerl mit Babygesicht und ein kleinerer mit Nickelbrille und dünnen blonden Strähnen, die er sich in ein paar Jahren vermutlich über die Glatze kämmen würde.
    Wir standen eine Weile in der Gegend herum, redeten über dies und das und verabredeten uns schließlich für den Abend in der einzigen Diskothek des Ortes.
    Der Laden war eine teergedeckte Baracke, deren Fassade irgendein talentloser Streber mit Fachwerk bemalt hatte. Die Innenwände waren mit Holzfurnier getäfelt, und von der Decke hingen hässliche Leuchter, die den Raum und die Gesichter der Leute, die an den Tischen saßen, in fahles Licht tauchten. Über der Bar baumelte eine Kette mit bunten Glühlampen, von denen etwa die Hälfte nicht funktionierte. Hinter der Discothek mit der Aufschrift »Disco 2000 « hantierte ein dicklicher Vollbart, während sich auf der Tanzfläche, die von einer unkoordiniert blinkenden Lichtorgel bestrahlt wurde, zwei Mädchen gelangweilt zu Kim Carnes’ »Bette Davis Eyes« bewegten.
    Es war noch zu früh und wir waren noch zu nüchtern, um das alles nicht deprimierend zu finden. Also gingen wir an die Bar und bestellten zwei Gin Tonic. »Ist ja wirklich gar kein Material«, erklärte Katja, nachdem sie ihren Blick einmal durch den Raum hatte streifen lassen. Wir suchten uns einen freien Tisch ganz weit hinten und beobachteten die trostlose Szenerie.
    Eine Stunde und zwei Gläser später war es nicht mehr ganz so schlimm. Unsere Augen hatten sich an das Licht gewöhnt, der Raum wirkte etwas weniger unwirtlich, und auch die Tanzfläche hatte sich inzwischen gefüllt.
    »Wollen wir tanzen?«, fragte Katja. Ich hatte es immer albern gefunden, wenn Mädchen miteinander tanzten, weil sie es meist nur taten, um die Aufmerksamkeit der Jungs auf sich zu lenken. Ich fand das blöd. »Keine Lust«, sagte ich. In diesem Augenblick betraten Hans der Zwölfte und seine beiden Freunde den Raum und schauten sich suchend um. Katja winkte ihnen, sie holten sich was zu trinken und setzten sich zu uns. Und dann war es so, wie es immer war: Katja leuchtete und redete und lachte laut. Sie war die Sonne. Die Leute schauten zu uns herüber – die Männer begehrlich, die Frauen kühl. Katja schien es gar nicht zu bemerken. Ihre Wangen glühten, sie genoss den Abend und den Gin, und ich beneidete sie um ihre Leichtigkeit.
    »Ich hol mir noch was zu trinken, willst du auch was?« Hans war aufgestanden und deutete auf das leere Glas in meiner Hand. »Ich komme mit«, sagte ich, worauf Katja kurz innehielt, mich mit einem seltsam erstaunten Blick ansah, um sich sofort wieder in ihren sprudelnden Monolog zu vertiefen.
    Wir ließen am Tresen unsere Gläser füllen und gingen vor die Tür. Hans bot mir eine Zigarette an, ich nahm sie, er gab mir Feuer, wir rauchten und redeten belangloses Zeug über schlechtes Wetter, schlechte Musik und schlechtgestopfte Zigaretten aus schlechtem bulgarischen Tabak. Dann schwiegen wir. Wir taten das mit dem sicheren Gefühl, dass alles gesagt war. Es war gut. Der Gin lag als warmes Wohlbehagen in meinem Kopf und ließ die Gedanken weich kommen und gehen.
    »Ich hau gleich ab und gehe noch zu einem Kumpel«, sagte Hans irgendwann. »Er hat das Ferienhaus seiner Tante für sich und feiert da Geburtstag. Hast du Lust mitzukommen?« Ich hatte Lust.
    Wir gingen wieder hinein. Die Luft war zum

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