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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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wären selbst die Gedanken unnötig, weil jeder in den Gedanken des anderen präsent war. Keine Geheimnisse.
    „Was ist das für ein Gedicht, an das du denkst?“, lautete Linus’ Frage. Olsen war fasziniert, dass Linus das entdeckt hatte. Tatsächlich war ihm gerade ein Text in den Sinn gekommen.
    „Ach ... bei einem Einsatz im Irak ... ich hab es bei einem Toten gefunden. Kein schlechter Trost.“
    „Sagst du es mir?“
    „Ich verstecke es nicht. Du hast ... Zugang.“
    „Ja“, sandte Linus. „Kannst du trotzdem?“
    Olsen nickte, sammelte sich und begann.
    „Ich starb als Stein und wurde zur Pflanze; dann starb ich als Pflanze und wurde zum Tier. Ich starb als Tier und wurde ein Mensch; was sollte ich also fürchten? Wann hat mich der Tod je geringer gemacht?“
    Olsen verstummte. Eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden. In einiger Entfernung war die Sirene der Feuerwehr zu hören. Sie verging.
    „Was ist mit Amsterdam?“, setzte Olsen noch einmal an. „Die Spezialisten ...“
    „Ich habe gehört, wie ihr über meinen Befund geredet habt, du und Thorbens Mutter. Es ging nur darum, wie man mir meine Situation erleichtern könnte. Darauf sind die Ärzte in Amsterdam spezialisiert. Aber das ist mir nicht genug. Ich will ein Leben komplett. Ganz und gar und ... Und das kriege ich. Wenn ich wiederkomme. Doch, das werde ich“, teilte Linus Olsen mit, als er dessen Zweifel spürte. „Und du weißt es auch. Wir sind ewig. Also habe ich keine Angst. Weil ich ja weiß, wie es sein wird. Weil ich weiß, dass es richtig ist.“
    Er ließ eine Pause. „Beim nächsten Mal sterbe ich als Mensch, um mit den Engeln zu fliegen ...“, fuhr Linus dann fort. „Das Gedicht ... es geht noch weiter“, wusste er.
    „Ja“, gab Olsen zu und zitierte. „Und selbst als Engel muss ich weichen, denn alle Dinge vergehen außer Seinem Angesicht. Und wieder werde ich geopfert und als Engel sterben; ich werde etwas Unvorstellbares werden. Dann werde ich zu Nichtsein; das Nichtsein singt schön wie eine Orgel: Siehe, zu Ihm kehren wir heim ...“
    „Das Nichtsein singt schön wie eine Orgel.“ Dieser Satz machte Linus glücklich. „Du musst mich nicht retten. Das kann ich nur selbst. Aber dazu brauche ich deine Hilfe.“
    [3218]
    Ärgerlich trat Greg den Zigarettenstummel aus, den einer seiner Leute weggeworfen hatte. Sein Blick reichte, um den Kameraden dazu zu bringen, den Stummel in den Müllcontainer zu werfen. Auf der Suche nach Bixby waren sie bis zum letzten Hinterhof der alten Wohnanlage gegangen, hatten alle Klingelbretter gecheckt, doch nirgendwo war Bixbys Name zu lesen. Sogar das leerstehende Haus am Ende des Blocks hatten sie überprüft. Aber hier wohnte niemand mehr. Fensterläden versperrten den Blick in die Wohnungen und Gregs Kontrollgang durch das Treppenhaus hatte ihn kein Zeichen von Leben entdecken lassen. Nur zwei Katzen streunten herum.
    Gregs Leute hatten inzwischen ein paar späte Heimkehrer aus den vorderen Häusern aufgehalten und nach Bixby befragt. Keiner von ihnen kannte dessen Namen.
    „Hat wohl ’ne falsche Adresse angegeben“, meinte der Raucher. „Gehen wir!“
    Greg aber schüttelte den Kopf. Er wollte erst sicher sein, dass sie hier in der alten Wohnanlage mit den vielen Hinterhöfen wirklich an der falschen Adresse waren. Er hatte diesen Bixby offenbar unterschätzt. Er begann sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass er mit Bixby auch den Mörder seiner sechs Kameraden jagte. Also begann Greg auf dem großen Klingelbrett am Eingang zu den Häusern einen Klingelknopf nach dem anderen zu drücken und wartete auf Antwort. Die meisten Mieter reagierten nicht; es war nach Mitternacht.
    Wenn doch jemand antwortete, gab Greg sich als Polizist aus und fragte nach William Bixby. Er war niemandem bekannt. Aber Greg gab nicht auf. Noch waren da über zehn Klingelknöpfe.

    Das Klingeln riss Bixby aus dem Schlaf. Da es nicht enden wollte, quälte er sich auf die Beine und lief im Dunkeln zur Tür. Er schaute durch den Spion, aber da war niemand. Bixby war irritiert. Er wunderte sich, warum er Olsen nicht sehen konnte. Bixby hatte ihm ein Nachtlager auf der Wohnzimmercouch bereitet. Das Bad war frei; also ging Bixby zu Linus’ Zimmer und horchte. Noch immer klingelte es an der Haustür Sturm, sodass Bixby näher an die Tür von Linus’ Zimmer heranmusste, um mitzubekommen, ob dahinter etwas zu hören sei. Dabei bemerkte er, dass die Tür nicht verschlossen war. Er öffnete sie.

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